Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)
Machiavellis einflussreichen Freund kurz vor seinem Tod im Jahre 1540: hoch geehrt von den Medici, die Florenz beherrschen, doch zutiefst pessimistisch, was die Geschichte Italiens betrifft.
Ich fröne hier dem Müßiggang, denn ich kann meinen Auftrag erst ausführen, wenn die Mönche ihren General und den übrigen Vorstand gewählt haben. Und in der Zwischenzeit grüble ich darüber, wie ich unter ihnen einen so großen Skandal verursachen kann, dass sie sich kräftig in die Haare geraten. Und wenn mich mein Verstand nicht im Stich lässt, sollte mir das wohl gelingen; dabei wären mir Euer Rat und Eure Hilfe sehr willkommen.[ 1 ]
Der Karrierediplomat Guicciardini, der die von Leo X. kürzlich gewonnene Stadt Modena regierte, beschloss zunächst, gute Miene zu diesem zynischen Spiel zu machen:
Schreibt mir, wenn Ihr mit diesen Mönchen fertig seid. Unter ihnen Zwietracht oder zumindest den Keim dazu so zu säen, dass dieser mächtig ausschlägt, wäre das erhabenste Werk aller Zeiten – und zudem leicht zu bewerkstelligen, in Anbetracht ihrer Feindschaft untereinander und ihrer Bösartigkeit.[ 2 ]
Als Statthalter eines Papstes, der sich über Machiavellis La Mandragola amüsierte, musste Guiccciardini kein Blatt vor den Mund nehmen, was die Sittlichkeit des Klerus anging.
Im selben Brief teilte Guiccciardini Machiavelli mit, dass er diesen als «eine äußerst seltene Person» weiterempfohlen habe. Auf die Frage, worin denn diese Einzigartigkeit bestehe, habe er bewusst nicht geantwortet. Diese Antwort müsse Machiavelli selbst liefern. In den Ton der Scherzhaftigkeit mischte sich auf diese Weise Ernst: Machiavelli stand auf seiner Mission unter Bewährungsdruck. Das Kompliment war überdies zweideutig. Es sollte fraglos heißen, dass Machiavelli über ungewöhnliche Fähigkeiten verfügte, doch es konnte auch bedeuten, dass der so Gelobte exzentrische, aus dem Rahmen fallende Wesenszüge aufwies. Der Brief enthielt auf diese Weise auch die versteckte Warnung, es nicht zu weit zu treiben und zu bedenken, wem Machiavelli den Auftrag zu verdanken hatte und wem er was schrieb.
Dieser Ratschlag traf bei Machiavelli nicht auf taube Ohren, wie sein Brief an Kardinal Giulio de’ Medici vom 21. Mai 1521 belegt. Darin gab er sich ganz gravitätisch und staatsmännisch, wie einst am Hofe Cesare Borgias und Ludwigs XII. Wie bei diesen hohen Herren war seine Mission auch diesmal im Wesentlichen erfolglos:
Nach Darlegung meines Auftrags berieten die Mönche lange, um mich danach hereinzurufen. Als erstes betonten sie, wie sehr sie der Republik, Eurem erlauchten Haus und Eurer Durchlaucht verpflichtet seien. Ja, es wäre geradezu ihr Traum Euren Wünschen zu willfahren, doch leider sei das nicht möglich.[ 3 ]
Solche Ausflüchte kannte der erfahrene Diplomat Machiavelli nur allzu gut, und natürlich gab er sich damit nicht zufrieden:
Zwei Dinge, so sagte ich ihnen, würden Eurer Durchlaucht bei dieser Antwort missfallen: zum einen, dass die Entscheidung auf die lange Bank geschoben werde; zum anderen, dass sie im gesamten Kapitel getroffen werden solle. Sie wüssten sehr genau: Wenn die Wenigen etwas nicht wollen oder aber verzögern möchten, übertragen sie die Entscheidung der Menge.[ 4 ]
Dass man Beschlüsse, die Missfallen erregten, demokratisch verbrämen muss, um sich gegen ihre schädlichen Folgen zu schützen, war eine wichtige Herrschaftstechnik der Medici. Eine weitere Maxime der Staatsräson folgte auf dem Fuße:
Und ich führte ihm eindringlich vor Augen, dass die Weisheit der Menschen darin besteht, das zu verschenken, was man weder behalten noch verkaufen kann.[ 5 ]
Der kluge Politiker gibt das, was er tun muss, als freiwillig aus und gewinnt dadurch den Ruf der Großzügigkeit. Das war eine Maxime, die im Buch vom Fürsten angebracht gewesen wäre. Offensichtlich wollte sich Machiavelli den Medici weiterhin als politischer Ratgeber und damit für höhere Aufgaben empfehlen. Doch die Frage, ob ein Kirchenfürst wie der als fromm und moralisch rigoros geltende Kardinal Giulio de’ Medici solche zynischen Weisheiten von ihm hören wollte, stellte er sich nicht. Für Guicciardini war der Fall damit klar: Machiavelli gebärdete sich so extravagant, dass er bei den Mächtigen seine Glaubwürdigkeit verlor. So weit aber durfte niemand gehen, der mit seiner Kritik etwas bewirken wollte. Doch an heilsame Effekte seiner Ratschläge glaubte Machiavelli offensichtlich nicht mehr. Bei diesen Mächtigen waren
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