Macho-Mamas
Die Scheidungsrate fällt sogar relativ zum Anteil der Frauen, die außer Haus arbeiten – je besser die Frauen ausgebildet sind und je besser sie verdienen. Vielleicht ermöglicht ihnen das, die Familie eher so zu gestalten, wie sie es sich wünschen.
Dass das Modell Ernährerin auch funktionieren kann, wenn die Frau die «dominante» Rolle einnimmt, zeigt das Beispiel von Tanja, einer vierzigjährigen Journalistin mit zwei Kindern im Alter von eins und drei Jahren. Nach der Arbeit geht sie nach Hause, weil sie Zeit mit ihren Kindern verbringen will und weil sie weiß, dass ihr Mann einen Knochenjob leistet: «Viele Freundinnen beklagen sich darüber, dass ihre Männer nach der Arbeit ganz selbstverständlich noch auf einen Drink gehen oder bei jeder Gelegenheit Auslandsreisen machen. Und obwohl ich meinen Job extrem gern mache, zieht es mich eher nach Hause.» Wenn die Frau das Geld verdient, so ihre These, haben die Kinder mehr von beiden Eltern, als wenn der Mann die Familie ernährt.
Der Arbeitsvertrag ihres Mannes war befristet und endete kurz vor der Geburt ihres ersten Kindes. Deshalb entschieden sie, dass er zu Hause bleibt und sie das Geld verdient. «Er ist der perfekte Hausmann», sagt sie. «Er geht freiwillig zum Blockflötenkonzert und zu den Elternabenden, und wenn die Kinder krank sind, pflegt er sie.» Obschon sie das ganze Geld verdient, hilft Tanja im Haushalt mit, wäscht und putzt. «Er sagt oft, dass ich zu viel mache und mich mal entspannen soll. Doch ich kann mich nicht entspannen, wenn die Wäsche nicht so im Schrank liegt, wie ich es will.»
Tanja hat sich nie vorgestellt, dass sie einmal allein die finanzielle Verantwortung für ihre Familie tragen würde. Sie kommt mit der Situation gut zurecht, weil ihr Mann ihr nicht das Gefühl gibt, sie müsse alles alleine tragen. Wenn es ihr zu viel werden würde, sagt er, könnte er ebenfalls wieder arbeiten. Sie meint: «Ich kontrolliere mich immer selber mit Fragen: Wenn die Kinder plötzlich nicht mehr da wären, würde ich es dann bereuen, nicht mehr Zeit mit ihnen verbracht zu haben? Die Antwort ist nein. Sie haben mehr Spaß mit ihrem Vater. Ich wäre zu schnell genervt. So können es alle mehr genießen.»
Für Tanja und ihren Mann funktioniert das, weil es ihren Bedürfnissen und Neigungen entspricht, weil sie am selben Strang ziehen, weil der Mann sich von ihren Ambitionen nicht in die Ecke gedrängt oder in seiner Männlichkeit bedroht fühlt. Manchmal wird Tanja gefragt, warum ihr Mann eigentlich nicht mehr arbeiten wolle. Dann sagt sie: «Weil ich lieber arbeite und er lieber mit den Kids zusammen ist.» In ihrem Umfeld besteht ein gewisser Rechtfertigungsdruck. Tanja verdient in ihrer Familie nicht nur das Geld, sie verwaltet auch das Haushaltsbudget. Sie hat die ganze Kontrolle übers Geld, eine Machtposition, die ihr nicht immer behagt. «Ich versuche ihm möglichst viele Wünsche zu erfüllen. Er soll nicht das Gefühl bekommen, Bittsteller zu sein.»
Werden die Männer in der Familie bald gänzlich ausgedient haben und nur noch als Samenspender fungieren? Wohl kaum. Genauso wenig, wie die Entscheidung, häusliche Aufgaben zu übernehmen, die Männer zu Handlangern oder gar zu erwachsenen Kindern macht. Nicht wenn sie diese Rolle neu definieren. So wie die Frauen die Möglichkeit, Geld zu verdienen, vielleicht sogar mehr Geld als ihre männlichen Kollegen, in ihre Genderideologie integriert haben. Wie die Familienhistorikerin Stephanie Coontz in Marriage, a history festhält, ist die Krise der traditionellen Familie nicht allein der weiblichen Emanzipation anzulasten, sondern kommt daher, dass die alten Gendermythen sich hartnäckig halten und vor allem strukturell längst nicht überwunden sind. Noch immer fußen unsere Karrierestrukturen und die sozialen Erwartungen rund um die Erwerbsarbeit auf der Vorstellung eines umfänglich verfügbaren Arbeitnehmers. Was wiederum bedeutet, dass er jemanden an seiner Seite hat, der sich für ihn um alles andere, zum Beispiel um seine sozialen Bedürfnisse oder um seine Familie kümmert. Aber das funktioniert nur, solange der Partner nicht selber Ansprüche an eine Karriere oder zumindest einen interessanten Job stellt.
Verantwortung für die Zukunft heißt, der Gegenwart tapfer ins Auge zu blicken. Wenn unser ökonomisches, politisches und soziales System auf die klassische Familie mit ihrer traditionellen Arbeitsteilung ausgerichtet bleibt, könnte das paradoxerweise dazu führen,
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