Macho-Mamas
bescherte ihnen dieser Erfolg keine Befriedigung, sondern ein schlechtes Gewissen.
Mary Blair-Loy war die Erste, die ein vermeintlich individuelles weibliches Gefühl des Unvermögens wissenschaftlich untersucht und eindeutig als kollektive Wahrnehmung erkannt hat: Das «schlechte Gewissen» ist direkt an das Rollenbild und den damit verbundenen Aufgabenkatalog gekoppelt. Im Büro fällt dieser für beide Geschlechter ähnlich aus. Zu Hause aber herrschen für Frauen andere Rollenerwartungen als für Männer. Und Mütter erwarten von sich selbst, dass sie diese erfüllen, egal, wie viel sie arbeiten.
Das Ergebnis lässt sich auch so darstellen: Alles, was Väter zu Hause tun, ist eine Zugabe. Was Mütter erledigen, ist bloß die ganz normale Show. Eine Zugabe sieht immer toll aus, auch wenn sie bescheiden ausfällt. Die Show hingegen muss fehlerlos über die Bühne gehen. Und das Publikum applaudiert nicht die ganze Aufführung hindurch, bei der Zugabe hingegen kann es auch schon mal im Takt mitklatschen.
Aus genau diesem Grund würde keine Karrieremutter der Welt es jemals wagen, auf die Frage, ob sie dem Nachwuchs denn auch mal bei den Hausaufgaben helfe, so zu antworten wie Karrierevater Josef Ackermann in einem Interview in der Welt 2008: «Ich helfe meiner Tochter sogar sehr oft. Sie hat mir, wenn ich in der Welt unterwegs war, die Aufgaben gefaxt, und dann habe ich die Mathematik- oder die Lateinhausaufgaben korrigiert.»
Die Frage wurde dem Banker übrigens von Kindern gestellt, die für die Zeitung Reporter spielten. Erwachsenen Journalisten kommt es im Allgemeinen nicht in den Sinn, Männer mit solchen Frauenproblemen zu belästigen.
Die Glücksfrage
Nun könnten wir die Antwort auf die Vereinbarkeits- und Gewissensfrage auch einfach verweigern. Genau wie die vielen Mütter in Chefpositionen, die wir für dieses Buch angeschrieben haben. Sie antworteten nicht, weil sie sich nicht schon wieder und ständig für ihre Laufbahn rechtfertigen wollten. Weil sie fanden, sie würden mit Fragen dieser Art erneut zum Spezialfall gemacht. Weil das Familienleben auch bei Frauen privat bleiben dürfe.
Doch das Bild der furchtbar zerrissenen Mutter, die sich am Bürotisch den ganzen Tag vor Sehnsucht nach dem Nachwuchs verzehrt, wird erst dann angekratzt, wenn Karrieremütter anfangen, Auskunft zu geben. Wenn sie ganz ohne schlechtes Gewissen zugeben, die Geburtstagstorte zu kaufen, statt zu backen und das Basteln in der Schule auch einmal an den Papa zu delegieren. Deshalb beantworten wir die Fragen hier selbst.
Das gilt auch für die Frage nach dem Glück. Sie wird fast ausschließlich von Frauen gestellt. Männer gehen – im Normalfall – davon aus, dass man glücklich wird, wenn man Karriere macht. Nicht nur wegen des Einzelbüros und des Firmenwagens, sondern weil Männer grundsätzlich davon ausgehen, dass der Mensch beruflich und familiär das anzustreben versucht, was ihn glücklich macht.
Frauen tun das offenbar nicht. «Sag mal, bist du eigentlich glücklich?», fragen sie. Es ist eine simple Frage, eine mitfühlende sogar, auf die wir allerdings keine simple Antwort haben. Glück ist ja nicht so eindeutig zu fassen und zu verspüren wie Durst oder Hunger. Dass die Frage meist nicht von Menschen gestellt wird, die einen genügend gut kennen, um die Antwort auch richtig einzuordnen, macht es nicht einfacher. Wir wissen, dass ein ehrliches «Manchmal» als Antwort bedeutet: «Aha. Wusst ich’s doch. Ist eben auch nicht das Gelbe vom Ei, das Leben als Karrieremutter.» Die Frage nach dem Glück wird Karrieremüttern nicht aus genuinem Interesse an der individuellen Befindlichkeit so häufig gestellt. Sie ist vielmehr Ausdruck der kollektiven Indiziensuche nach der besten weiblichen Rolle.
Das Leben als Karrieremutter ist nicht das reine Glück. Es ist meist anstrengend, oft hektisch und nicht selten nervenaufreibend. Aber es ist fast immer befriedigend und nie langweilig. Ist das nun ein Indiz dafür, dass die Macho-Mamas besser hätten Hausfrau werden sollen? Ja – wenn man der 2011 vom deutschen Roman-Herzog-Institut publizierten Studie glauben will, die besagt, dass berufstätige Mütter weniger glücklich sind als solche, die nicht arbeiten. Das Ergebnis der Studie ist unserer Meinung nach aber vor allem ein Beweis für die Fragwürdigkeit solcher Glücksstudien selbst.
Angefangen hat die Obsession der Wohlfühl- und «Multioptionsgesellschaft» (Peter Gross) mit der Jagd nach dem Glück in den
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