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Macho-Mamas

Titel: Macho-Mamas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michèle Binswanger , Nicole Althaus
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mehr Zeit mit ihrem Nachwuchs verbringen als jede Generation zuvor. Trotzdem wird gerade in Mütterkreisen stets über die perfekte Work-Life-Balance sinniert, als sei es ein Zustand der Erlösung. Warum bloß? Und warum gehen sie davon aus, dass sie das seligmachende Gleichgewicht finden, wenn sie die Arbeit im Büro für die Arbeit zu Hause opfern?
    Die Wahrheit ist: Mütter laufen einem Ideal hinterher, neben dem die bezahlte Arbeit viel zu schlecht aussieht. Wer Kind und Karriere bewerkstelligen will, kann zwar nicht damit rechnen, ein gemütliches Leben zu führen. Ein erfülltes aber schon. Nicht nur die Zeit mit den Kindern macht Menschen zufrieden, sondern auch die Zeit bei der Arbeit. Zum Glück dürfen das heute auch Mütter laut sagen. Schließlich haben wir uns hierzulande im Verlauf der neunziger Jahre auf einen gut schweizerischen Kompromiss geeinigt: Ein bisschen arbeiten und ein bisschen zu Hause bleiben ist das Beste für Mama, für die Kinder und nicht zuletzt auch für den Papa. Mit einer Frauenarbeitsquote von 73,6 Prozent sind die Mütter in der Schweiz gut ins Arbeitsleben integriert, wie die Fachkräfteerhebung des Volkswirtschaftsdepartementes vom August 2011 belegt. In Deutschland etwa beträgt die Quote bloß 66,2 Prozent. Doch die Zahl trügt! Nirgendwo in Europa stecken so viele Frauen beruflich zurück, wenn sie Kinder bekommen, wie in der Schweiz. Die meisten Frauen mit Kindern arbeiten Teilzeit und in kleinen Pensen – also so, dass sie die Arbeit zu Hause nicht vernachlässigen müssen. Rechnet man die mütterlichen Arbeitspensen in Vollzeitstellen um, dann kommt man bloß noch auf eine Frauenarbeitsquote von vierzig Prozent.
    Mütter, die mehr auswärts als zu Hause arbeiten, sind in der Minderheit. Lediglich fünfzehn Prozent sind voll berufstätig. Wer seine persönliche Work-Life-Balance zugunsten der bezahlten Arbeit verschiebt, setzt sich auch im Jahr 2012 noch dem Vorwurf der Rabenmutter aus. Der andauernde Rechtfertigungsdruck gegenüber Vorgesetzten, aber auch gegenüber Kolleginnen und Kollegen ist einer der größten Stressfaktoren für Karrieremütter. Das hat die Untersuchung der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft (EAF) ergeben: Jede dritte Befragte gab zu Protokoll, dass sie gegen Zweifel an der Leistungsbereitschaft nach der Geburt des Kindes hat ankämpfen müssen. Jede vierte stieß beim Chef oder bei der Chefin auf Unverständnis für ihr Lebensmodell. Dabei mildern auch die Umstände das Urteil nicht: Als eine der Macho-Mamas sich vor zwei Jahren für den Karriereschritt entschied und ihr Pensum erhöhte, waren ihre Kinder zehn und sieben Jahre alt und bis auf zwei Wochentage, an denen jeweils ein Elternteil zu Haus war, von acht Uhr morgens bis um vier Uhr nachmittags in der Schule. Trotzdem wird sie vor Selbstausbeutung, Burn-out und Kontrollverlust über den Nachwuchs gewarnt. Es scheint, als sei die Waage der Work-Life-Balance bei Müttern einseitig geeicht: Die bezahlte Arbeit wiegt sehr schwer und muss mit Familienzeit überkompensiert werden.
    Der Begriff Work-Life-Balance stammt aus den achtziger Jahren, exakt aus dem Jahrzehnt, das auch die Powerfrau erschaffen hat. Beide Konzepte haben in ihrer Realitätsferne den Frauen mehr geschadet als geholfen: Die westlichen Industrienationen waren dabei, sich zu Dienstleistungsgesellschaften zu wandeln, und in der zunehmend global tätigen Wirtschaft entdeckte die amerikanische Management- und Beraterindustrie den Menschen als Wettbewerbsfaktor. Ihre entscheidende Erkenntnis: Der Mensch als soziales Wesen mit entsprechenden Bedürfnissen erbringt bessere Leistungen, wenn diese auch befriedigt werden. «Less stress, more success» hieß damals die Devise, die heute, zwanzig Jahre später, nicht mehr nur Manager, sondern bis zum Bademeister alle Arbeitnehmer umtreibt. Die Firmen besetzten den Slogan sofort. So billig war Imageförderung selten zu haben. Fortan durfte sich jeder Arbeitgeber, der seine Angestellten nicht mehr morgens und abends an die Stempeluhr schickte, flexibel und fortschrittlich fühlen. Und Konzerne, die gar den Home office day eingeführt haben, halten sich bereits für frauen- und familienfreundlich.
    Das ist natürlich lächerlich. Wir wollen hier zwar weder den Balanceakt zwischen Kind und Karriere noch den Veränderungswillen von Firmen in Abrede stellen. Doch die Diskussion wird kurzsichtig geführt: Die intensiven Babyjahre sind in einem Mutterleben äußerst kurz.

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