Macho-Mamas
So kurz wie die aktiven Mutterjahre in einem Frauenleben. Geht man von einer weiblichen Lebenserwartung von achtzig Jahren aus, dann ist die Frau höchstens zwanzig Jahre, also ein Viertel davon, aktiv Mutter. Wiederum ein Viertel davon ist sie Mutter eines nicht schulpflichtigen Kindes, bei mehreren Kindern sind es wenige Jahre mehr.
Eine Work-Life-Balance, die es ernst meint damit, Gleichgewicht in ein Leben zu bringen, muss diese Tatsache berücksichtigen. Mütter vergessen es gern und schauen nicht über den Wickeltisch hinaus, wenn sie ihre Zukunft planen. Sie schieben ihren Beruf viel zu häufig mit einem Minipensum von zwanzig bis vierzig Prozent an den Rand ihres Lebens und merken erst, wenn der Nachwuchs in die Schule und der Ehrgeiz wieder zum Vorschein kommt, dass sie sich damit auch an den Rand der Konkurrenzfähigkeit manövriert haben. Umgekehrt ignorieren Arbeitgeber konsequent, dass sie mit jeder Mutter, die sie aus der Karriereplanung streichen, weil sie in den intensiven ersten Babyjahren mit einem kleinen Pensum arbeiten will, eine potentielle Leistungsträgerin verlieren.
Ein Work-Life-Balance-Konzept, das Mütter und in Zukunft hoffentlich auch mehr Väter tatsächlich entlasten will, muss die üblichen Modelle sprengen: Eine Wochen- oder Monatsarbeitszeit und der Home office day bringen etwas Flexibilität, aber noch lange keine Balance ins Leben junger Eltern. Was diese brauchen sind Arbeitsmodelle, die Rücksicht nehmen auf die ersten intensiven Kleinkinderjahre, und Karrieremodelle, die darüber hinausschauen. Bereits heute gibt es Firmen, die ihren Mitarbeitern erlauben, das Kleinkind auch mal zu einer wichtigen Sitzung mitzubringen, wenn gerade kein Babysitter zu finden ist. Chefs, denen es egal ist, wann und wo die Mütter oder Väter ihre Arbeit erledigen, solange die Termine eingehalten werden und die Qualität gewährleistet ist. Warum soll ein Vater nachmittags nicht mit dem Kind den Zoo besuchen und das Computerprogramm fertigschreiben, wenn der Nachwuchs im Bett ist?
Es ist uns bewusst, dass solche Forderungen nicht in allen Branchen durchsetzbar sind und dass sie von Arbeitgebern gern ignoriert werden, solange der Import der nötigen Fachkräfte aus dem Ausland billiger ist als eine Lösung aus dem Inland. Noch ist der Druck und damit auch der Innovationswille in Deutschland, aber vor allem im Hochlohnland Schweiz zu gering. Doch er steigt. Denn viele bestens qualifizierte Frauen verzichten eher auf den hiesigen Job und suchen sich eine Stelle im Ausland, wo der Nachwuchs nicht ein Karrierekiller und vielleicht sogar die Kinderbetreuung gewährleistet ist, als auf ein Baby zu verzichten. Firmen, die im Kampf um Talente künftig nicht auf der Verliererseite stehen wollen, müssten langsam dafür sorgen, dass ihre Personalabteilungen den Fokus endlich auch auf die Bedürfnisse von Eltern, vorab von Müttern richten.
Seit Jahrzehnten wird gleicher Lohn für gleiche Arbeit gepredigt. Seit Jahrzehnten werden Mentoring-Programme propagiert und Frauen gefördert, und seit Jahrzehnten stellt man fest: Allen Bemühungen zum Trotz schaffen es die meisten Frauen bloß ins mittlere Management und bleiben dort sitzen. Bei jedem anderen Managementziel, das so lange, so deutlich und so klar verfehlt wird, hätte man sich in der Chefetage längst gefragt: Was machen wir falsch? Warum bleibt der Return on Investment so lausig? Wo und warum haben wir uns verkalkuliert?
Nun, auch bei der Gleichstellung kann man sich verkalkulieren. Die Gründe, warum Frauen in der Privatwirtschaft nicht vorankommen, sind zwar komplex und vielfältig. Doch ein grundlegender Denkfehler kann ausgemacht werden: Gleichstellung bedeutet nicht Gleichschaltung. Man erreicht sie nicht, indem man Frauen gleich behandelt wie Männer. Genau das aber wird in Firmen geglaubt. Seit sie das Büro erobert haben, werden Frauen dazu angehalten, sich in eine auf Männer zugeschnittene Organisation einzugliedern, nach männlichen Regeln zu operieren, zu führen und zu verhandeln, die auf Männerbeine zugeschnittene Karriereleiter hochzuklettern.
Das funktioniert vielleicht für diejenigen Frauen, die kinderlos bleiben und ihr Leben planen und gestalten können wie ein Mann. Doch auch für diese funktioniert die Gleichschaltung mehr schlecht als recht. Für alle anderen Frauen funktioniert sie gar nicht. Genau dann, wenn Karrieren vorangetrieben und entschieden werden, im Alter zwischen dreißig und vierzig, werden die meisten Frauen
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