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Macho-Mamas

Titel: Macho-Mamas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michèle Binswanger , Nicole Althaus
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neunziger Jahren: Je stärker der Individualismus zelebriert wurde, desto schneller wuchsen die Selbsthilfe-Ecken in den Buchhandlungen. Denn die Menschen wollten zwar ihren ganz eigenen Weg gehen, schielten aber dabei immer auf den Pfad des Nachbarn. War dieser etwa auf anderen Wegen glücklicher geworden? Von der Suche nach dem richtigen Mann bis zur Anleitung fürs Single-Glück, vom Rezept zum Aufstieg bis zum Rezept zum Ausstieg gab es kein Thema, zu dem nicht ein How to verfasst wurde. Und jetzt ist die Zeit gekommen, diese Optionen zu sezieren und wissenschaftlich auszuwerten.
    Mit Vorliebe wird die Happy-Kurve bei Frauen aufgezeichnet. Sie laufen gleichsam ständig mit dem Glücksfiebermesser unter dem Arm herum. Jede Entscheidung der Frau wird heute in die Glückskoordinaten zerlegt. Und die lassen eine Menge Spielraum für Interpretation: So gibt es Erhebungen, die zeigen, dass Hausfrauen glücklicher verheiratet sind als berufstätige Mütter. Andere behaupten, dass egalitäre Partnerschaften weniger Scheidungen, besseren Sex und mehr Glück bedeuten. Die Studie des Roman-Herzog-Instituts spricht Hausfrauen mehr Glück zu als berufstätigen Müttern, während andere das genaue Gegenteil mit Zahlen belegen, etwa die Untersuchung, die im Dezember 2011 im amerikanischen Journal of Family Psychology erschien.
    Obwohl also das Glück ein diffuses, kaum festzulegendes Gefühl ist und obwohl es demzufolge für jede Schlussfolgerung eine passende Erhebung gibt, ist die Glücksfrage beim Mutterthema ungeheuer wirkungsmächtig. Als gäbe es die richtige Art, Frau zu sein, und daneben viele falsche Arten. Es ist paradox: Seit die beiden Ökonomen Betsey Stevenson und Justin Wolfers 2009 im American Economic Journal die fallende weibliche Glückskurve präsentiert haben, die der Computer aus den gesammelten europäischen und amerikanischen Daten seit den siebziger Jahren gezeichnet hatte, wird die Frage immer neu gestellt: Macht die Emanzipation Frauen frei, aber unglücklich? Wir wissen es nicht. Wir sind nicht die Frauen, sondern bloß zwei. Aber wir haben eine starke Vermutung: Der Glücksterror ist Blödsinn. Genauso unsinnig wie der weibliche Wettbewerb um das bessere Lebensmodell. Optionen zu haben gehört zu den Errungenschaften des Feminismus. Und es war nie die Rede davon, dass sie mit einem Glücksversprechen einhergehen. Sondern es ging darum, dass Frauen zu verschieden sind, um in einer einzigen Rolle glücklich zu werden.
    Die Wahrheit ist: Es gibt auch nach der Emanzipation keine Formel für ein zufriedenes Leben und keinen weiblichen Lebensentwurf, in dem Frustration und Unzufriedenheit nicht auch einen festen Platz hätten. Einige Errungenschaften des Feminismus sind ein besserer Boden für Glück, andere bedeuten Mühsal. Meist besteht diese aus mehr Verantwortung, weniger Sicherheit und aus einem neuen Feld von Ängsten neben einem neuen Feld von Chancen.
    Es mag ernüchternd klingen, aber Emanzipation leben ist nicht weniger anstrengend als Emanzipation erkämpfen. Es braucht dafür vielleicht weniger Mut und Kampfgeist, dafür aber umso mehr Durchhaltewillen, Pragmatismus und Frustrationstoleranz. Diese Wahrheit hat die Frauen der Generation Spagat jetzt eingeholt. Deshalb trifft die seit kurzem modische Behauptung noch lange nicht zu, dass die heutige Unzufriedenheit der Frauen die Strafe sei für die Vermessenheit, alles zu wollen. Die Frauen unserer Generation haben nicht alles gewollt. Sie haben lediglich mehr angestrebt als die Generation davor. Permanentes Glück gehört so wenig dazu wie Perfektion. Mit diesen Begriffen lassen sich die neueroberten weiblichen Lebensentwürfe so wenig bewerten wie die Errungenschaften der Emanzipation.
Die Frage nach der Work-Life-Balance
    Neben der Fixierung auf das Glück gibt es ein weiteres Credo, das Mütter umtreibt und häufig genug auch lähmt: der Glaube an die perfekte Work-Life-Balance . Wir gehen heute selbstverständlich davon aus, dass es früher einmal eine strikte Trennung von Arbeit und Familie gegeben habe. Als ob unsere Großmütter, welche Windeln und Geschirr noch von Hand waschen mussten, ausgeglichener und weniger überarbeitet gewesen wären und vor allem: näher bei den Kindern. Räumlich mag das stimmen: Das Baby lag im Kinderwagen am Rand des Feldes, auf dem sie Kartoffeln pflückten, und nicht in den Armen einer fremden Frau in der Krippe. Hinsichtlich der Dauer aber wissen wir, dass Mütter und Väter heute mehr Freizeit haben und

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