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Macho Man: Roman (German Edition)

Macho Man: Roman (German Edition)

Titel: Macho Man: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Netenjakob
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schnell erzählt: Meine Eltern haben sich mit den persischen Nachbarn angefreundet und sie gegen halb vier morgens in unsere Wohnung eingeladen, wo man sich bis kurz nach fünf unter starkem Alkoholeinfluss so lautstark verbrüderte, dass schließlich die Nachbarn auf der anderen Seite die Polizei riefen und meine Eltern eine Anzeige wegen Ruhestörung erhielten.
     
    Während sich vor meinem geistigen Auge noch einmal die Szene abspult, wie mein Vater stockbesoffen die Polizeibeamten als Nazis beschimpft, die keine Ahnung von persischer Kultur und Trompenkuppeln haben (was im Übrigen noch ein Bußgeld wegen Beamtenbeleidigung nach sich zog), spüre ich den bohrenden Blick von Herrn Denizoglu. Ich bringe einfach keinen Anti-Griechen-Satz über die Lippen. Mein Hirn rotiert, und heraus kommt eine Dieter-Hallervorden-Imitation:
    »Also, die Griechen, uiuiuiuiui... Palim, palim – ich hätte gern 'ne Flasche Gyros ... Und die Kreta-Frage, die klärt ihr am besten mit Kreta Garbo, hühühühühü!«
    Das war natürlich dämlich. Erstens war das das schlechteste Wortspiel seit dem Titel des Soloprogramms von Gerd dem Gaukler (»Was lange Gerd, wird endlich gut«) 16 , zweitens stehen Dieter-Hallervorden-Imitationen relativ weit hinten auf der Liste der Dinge, die man tun sollte, um die Gunst eines türkischen Familienvaters zu erlangen.
    Herr Denizoglu schaut mich jetzt schon leicht angewidert an.
    O nein, ich hab's vermasselt. Gleich wird er sagen, dass ich seine Tochter nie wieder sehen darf. Nur noch eine einzige Chance, bitte! Und tatsächlich, da kommt sie:
    »Was ist dein Lieblingsverein? Im Fußball?«
    Oh, das ist einfach. Wir sind in Köln. Da kann er nichts sagen.
    »Der 1. FC Köln.«
    »1. FC Köln? Auweia!«
    Meinte ich, er kann nichts sagen? Natürlich kann er was sagen.
    »Aber ich will wissen: was ist dein Lieblingsverein in der Türkei?«
    Jetzt bloß nichts Falsches sagen. Das ist meine letzte Chance. Daniel, denk nach. Er kommt vom Schwarzen Meer. Also ist es auf keinen Fall eine Mannschaft aus Istanbul. Das heißt: Weder Fenerbahçe noch Galatasaray. Welchen türkischen Verein kennst du noch? Lahmacun! Ja, genau, Lahmacun! Nein, stopp, Lahmacun ist türkische Pizza. Mist! Es muss doch noch andere Teams geben als Fenerbahçe und Galatasaray. Ah, ich hab's: Besiktas! Na bitte. Aber halt! Besiktas ist auch Istanbul...
    Ich gerate ins Schwitzen und sehe meine letzte Chance, mich irgendwie beliebt zu machen, hinter dem türkischen Halbmond verschwinden, da habe ich im letzten Moment einen Geistesblitz:
    »Trabzonspor.«
    Herrn Denizoglus Augen weiten sich. Eine viel zu lange Pause entsteht. Warum habe ich Trabzonspor gesagt? Warum hab ich nicht einfach gesagt, dass ich gar keine türkische Lieblingsmannschaft habe?! Das wäre erstens die Wahrheit und zweitens absolut nachvollziehbar. Wahrscheinlich ist Trabzonspor seine totale Hassmannschaft – so was wie für mich Bayer Leverkusen. Würde ich dulden, dass meine Tochter ein Verhältnis mit einem Bayer-Leverkusen-Fan hätte? Nie im Leben! Vorausgesetzt, ich hätte eine Tochter. Und vorausgesetzt, sie würde sich irgendwie für meine Meinung interessieren. In Erwartung, jetzt der Wohnung verwiesen zu werden, kneife ich ängstlich die Augen zusammen. Da merke ich, wie sich der Mund von Aylins Vater zu einem breiten Grinsen auseinanderzieht:
    »Trabzonspor?! Allah Allah! Wirklich?!«
    »Äh, ja. Trabzonspor.«
    Jetzt bricht mit voller Wucht die Freude aus Aylins Vater heraus. Er lacht herzlich, klopft mir mehrfach so fest auf die Schulter, dass ich im Geiste schon einen Termin bei meiner Ostheopathin abmache, küsst mich dann auf beide Wangen und krempelt schließlich seine Ärmel und Hosenbeine hoch, um mir zu zeigen, dass er am ganzen Körper Gänsehaut bekommen hat. Jetzt reißt er die Balkontüre auf und brüllt hinein:
    »Er ist für Trabzonspor!«
    Großer Jubel im Wohnzimmer. Dass ich ein ungläubiger unbeschnittener Griechenfreund bin, ist vergessen. Ich bin akzeptiert.
    12 Liebe griechische Leser, nicht böse sein, das ist nur die Meinung von Herrn Denizoglu. Die meisten Griechen, die ich kenne, sind absolut zauberhafte, freundliche Menschen. 13
    13 Liebe türkische Leser, nicht böse sein, natürlich sind auch die meisten
    Türken, die ich kenne, absolut zauberhafte, freundliche Menschen. 14
    14 Liebe Zyprioten, nicht böse sein, aber ich werde hier keine Stellung beziehen. 15
    15 Liebe UN, nicht böse sein, aber ich muss hier nun wirklich nicht

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