Macho Man: Roman (German Edition)
Hochzeit.«
»Hey, du lernst schnell, Schwager.«
Aylin wirft mir ein paar Küsse hinterher, als Cem und ich in die Severinstraße einbiegen und aus ihrem Blickfeld verschwinden. Cem wirft den Bierdeckel mit der Telefonnummer der Kellnerin in den nächstbesten Papierkorb. Dieser Mann ist wirklich cool. Vielleicht ist so ein Männerabend gar nicht so schlecht – so kann ich meinen zukünftigen Schwager besser kennenlernen.
»Und was machst du so beruflich, Cem?«
»Ich bin Rechtsanwalt.«
»Oh. Wow. Das ist ja... toll.«
Ich bin ehrlich überrascht. Ich hätte viel Geld verwettet, dass Cem entweder Döner, Handys oder Gemüse verkauft. Irgendwie siedelt man Türken automatisch in der Unterschicht an. Icherfahre , dass der Ali, mit dem er eben telefoniert hat, in derselben Kanzlei arbeitet. Unter dem Aspekt, dass da zwei Rechtsanwälte kommuniziert haben, wirken die Sexprotzereien im Nachhinein noch skurriler. Obwohl, warum sollen Rechtsanwälte nicht über Analverkehr sprechen?! Ich sollte weniger engstirnig denken.
Plötzlich schaut mich Cem skeptisch von der Seite an:
»Sag mal, Daniel, wie gehst du eigentlich?«
»Wie meinst du das, wie gehe ich? Ich setze einen Fuß vor den anderen. So wie alle.«
»Nein, ich meine, du gehst so komisch ... Krummer Rücken und Kopf nach unten.«
»Wirklich?«
Ich kontrolliere meinen Gang in einer Schaufensterscheibe. Cem hat recht. Wenn es eine Skala der Gänge gibt, die von Woody Allen bis Tom Cruise reicht, und Woody Allen ist 1 und Tom Cruise 1000 – dann bin ich so bei 1,7.
»Daniel, das ist nicht gut für Frauen. Sieht immer so aus wie ein Olivenlutscher.«
»Ah.«
»Hier, es ist ganz simpel: Kopf gerade und Brust nach vorne.«
Cem macht es mir vor. Na bravo. Mit zwei Jahren habe ich laufen gelernt und seitdem nicht einen einzigen Gedanken daran verschwendet. Ich bin einfach gegangen. Ich habe meine unteren Extremitäten exakt so eingesetzt, wie es von der Schöpfung vorgesehen ist: um von einem Ort zum anderen zu kommen. Und plötzlich soll das ein Problem sein?!
»Los, Daniel, versuch's mal.«
»Quatsch. Wenn ich gehe wie ein Olivenlutscher, bitte. Dann geh ich halt wie ein Olivenlutscher.«
»Jetzt komm schon!«
Cem drückt mir den Kopf nach oben und die Brust nach vorne. Ich seufze und ergebe mich meinem Schicksal. Als ich mich in der Schaufensterscheibe beobachte, finde ich, dass es weniger nach Tom Cruise, sondern mehr nach Gustav Gans aussieht.
»Sehr gut, Schwager. Schon viel besser.«
Es ist unheimlich anstrengend, so zu gehen. Ich verstehe nicht, wie die Türken das den ganzen Tag durchhalten. Ich spiele dasSpiel Cem zuliebe mit, aber morgen werde ich zu meinem alten Gang zurückkehren. Vielleicht ist ein Gang ja genauso ein unverwechselbares genetisches Merkmal wie ein Fingerabdruck?
Cem und Gustav Gans sind mittlerweile zum Ring gewandert, wo man im Al Salam, das inzwischen zum Raucherclub umfunktioniert wurde, eine Wasserpfeife genießen kann, die die Araber »Shisha« und die Türken »Nargile« nennen. Ich fülle meinen Mitgliedsantrag aus und nehme mit Cem an einem der niedrigen goldenen Tische Platz, die ebenso wie die restliche Einrichtung so orientalisch wirken, dass man sich wie in einem Märchen aus 1001 Nacht fühlt – und das unweit vom Barbarossaplatz. Cem scheint öfter hier zu sein, denn mehrere Männer begrüßen ihn mit Handschlag, Schulterklopfen und Küsschen rechts-links. Der Laden ist arabisch, die Gäste zum Großteil Türken, dazu ein paar deutsche Studenten. Also eine ganz normale kölsche Mischung – nur dass der Anteil an Homosexuellen unter dem Durchschnitt liegt.
»Pass auf, Eniste, gleich kommt was, das wird dir gefallen!«
»Eniste?«
»Schwager.«
»Ah. Und was wird mir gefallen? Die Wasserpfeife?«
»Nein. Sie wird dir gefallen.«
In diesem Moment kommt hinter einem Vorhang eine dunkle Schönheit hervor. Unterhalb der Augen ist ihr Gesicht von durchsichtigem Stoff verhüllt. Ansonsten trägt sie nicht viel: Ein knapper, goldbestickter BH mit Fransen und ein langer Tüllrock, an dem kleine goldene Münzen klimpern, sind alles, was ihre kakaobraune Haut verdeckt. Da fällt mein Blick auf ein Schild an der Wand: »Freitags und samstags Bauchtanz«. Cem schlägt mir lachend auf die rechte Schulter. Falls die Kapsel nur angerissen war – jetzt ist sie durch.
»Na, Eniste, hab ich zu viel versprochen?«
»Äh, nun, also, nein, äh, eigentlich nicht.«
»Hammer die Frau. Ab-so-lu-ter Hammer.«
»So
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