Macho Man: Roman (German Edition)
keine Memme. Ich bin ... ja, was bin ich eigentlich? Egal, darüber denke ich später nach. Dass ich keine Memme bin, reicht fürs Erste. Ich reiße die Tür auf und trete entschlossen ein.
»So. Das war... ich ... also, äh ...«
Seltsam, vor meinem geistigen Auge spielte sich die Szene so ab, dass ich den beiden extrem cool und mit ausgezeichneter Rhetorik eine messerscharfe Analyse ihrer Ignoranz um die Ohren haue. Jetzt suche ich nach Fluchtmöglichkeiten, während mich Rüdiger Kleinmüller und Ewald Pfaff anschauen wie einen Eiterpickel im Intimbereich. Ich drehe mich um und sehe in Lysas Augen etwas, das ich da überhaupt nicht sehen will: Mitleid. Wieder meldet sich das neue unbekannte Gefühl. Ich atme tief durch und wende meinen Blick zurück in den Konferenzraum.
»Was ich sagen will: So kann man mich nicht behandeln.«
Mein Chef und das Bugs-Bunny-Monster schauen mich verblüfft an. Rüdiger Kleinmüller hat es für einen Augenblick so die Sprache verschlagen, dass ihm nicht mal ein Anglizismus über die Lippen kommt. Dann fängt er sich wieder.
»Daniel, wenn du irgendein Problem hast, dann komm heute Nachmittag in mein Büro.«
»Nein, das möchte ich jetzt und hier loswerden. Erstens: Ich habe ein Drehbuch geschrieben und keinen Vorschlag gemacht. Zweitens: Sie haben mich ausdrücklich dafür gelobt, also tun Sie nicht so, als hätte ich hier Mist gebaut.«
»Daniel, jetzt halt aber mal...«
»Lassen Sie mich ausreden! Drittens: Wenn es ein Problem mit der Aussage des Spots gibt, muss man doch nicht gleich alles wegschmeißen! Man kann ja wohl mal fünf Minuten darüber nachdenken, ob das Kaffeesatzlesen auch ohne das Schlechtmachen von koffeinhaltigem Kaffee funktioniert, verdammt!«
»Daniel, es reicht, ich ...«
»Ich meine, wenn wir nichts Negatives über den Scheiß-koffeinhaltigen-Kaffee sagen dürfen, dann lassen wir das halt weg, dann liest die gottverdammte Kaffeesatzleserin eben nur den koffeinfreien Kaffeesatz... Und während sie eine blendende Zukunft voraussagt, kommt ihr der Duft in die Nase, und dann meint sie, das ist ja der leckerste Kaffee, den sie je gerochen hat, und als sie dann erfährt, dass der koffeinfrei ist, hängt sie ihren Beruf an den Nagel, weil sie zum ersten Mal im Leben etwas nicht vorhergesehen hat.«
Eine Pause entsteht. Mein Chef schaut mich ebenso wütend an wie Ewald Pfaff, doch langsam weicht die Wut einem nachdenklichen Stirnrunzeln, das wiederum von einem Grinsen abgelöst wird. Ewald Pfaff springt auf:
»Das ist perfekt! Das ist... das ist genial!«
Rüdiger Kleinmüller hat mir noch nie auf die Schulter geklopft. Aber ausgerechnet heute steht er auf, steuert um den Tisch herum auf mich zu und haut mir gezielt auf die gerissene Kapsel. Selbst mein ABC-Wärmepflaster kann nicht verhindern, dass mir ein stechender Schmerz durch den ganzen Körper fährt, der allerdings schnell von Glückshormonen neutralisiert wird: Ich habe gewonnen! Ich habe mich erfolgreich gewehrt, zum ersten Mal! Der Affront ist vergessen, ich taumele siegestrunken aus dem Konferenzraum und zeige triumphierend den gestreckten Daumen in Richtung Lysa, die mich ebenso erfreut und fassungslos anstarrt wie Karl und Ulli, die offenbar durch die Lautstärke angelockt das Finale mitbekommen haben. Jetzt weiß ich, was ich bin: ein Held.
Vier Stunden später, als ich die Firma verlasse, habe ich so ein Gefühl wie nach dem Abstellen von schweren Koffern nach kilometerweitem Schleppen – plötzlich fühlt man sich magisch nachoben gezogen, als würde man schweben. Verblüfft schaue ich in eine Schaufensterscheibe und stelle fest, dass ich mich auf der Skala in Richtung Tom Cruise bewegt habe, und zwar ohne den geringsten Anflug von Gustav Gans. Ich nehme es zufrieden zur Kenntnis.
In 50 Metern Entfernung kommt mir eine Blondine im Jeans-Minirock mit Netzstrumpfhose und schwarzen Stiefeln entgegen. Eine dieser Frauen, von denen ich seit jeher denke, dass sie oberflächliche Tussen sind, mit denen man sich bestenfalls über Energy Drinks unterhalten kann, und denen ich dann trotzdem einige Sekunden hinterherschmachte.
Das ist derselbe Widerspruch, den ich immer beim Gucken von The Girls of the Playboy Mansion empfunden habe, einer Doku-Soap auf VIVA über das Leben des Playboy-Gründers Hugh Hefner und der drei jungen Blondinen, die aus purer Nächstenliebe ihr Leben bei einem 80-jährigen Opa verbringen.
Ich habe meiner inneren Alice Schwarzer immer erzählt, dass ich die Sendung
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