Machos weinen nicht
ihren Schuhen. Ihr Kleid hatte sich in Spiralen um den vorstehenden Bauch gewickelt. Ich war von neuem verblüfft, wie dick das Geldpäckchen war, das Schutt in der Tasche hatte. Edik sagte, verhüte Gott, dass das Mädchen verschütt geht.
Wir saßen wieder im großen Zimmer.
»Ich hab so ‘n Buch gelesen. Kurz gesagt, weißt du, was ein ›Toilettensklave‹ ist? Ein gutes Buch übrigens.«
»Ich sag diesem Teufel: Hör mir mal gut zu, Teufel!«
»Aber verkrümel dich ja nicht! Andrjucha, ich bitte dich: Verkrümel dich nicht!«
»Dreimal verdammt will ich sein, wenn ich mich verkrümele!«
»Was willst du sein? Andrjucha, du verkrümelst dich bestimmt nicht?«
»Wieso sollte ich mich verkrümeln?«
»Ich seh ja, gleich fährst du zu Maschka.«
»Ich fahre nicht. Wieso sollte ich? Schon gar nicht zu Maschka.«
»Andrej, ich bitte dich! Als guten Kumpel bitte ich dich: Verkrümel dich nicht! Verkrümelst du dich nicht?«
Das Mädchen kam schnell wieder. In der Tüte gluckerte es hohl. Sweta spülte die Gläser. Edik goss sofort zirka vier Fingerbreit Wodka hinein.
»Wolodja! Hör mir zu, Wolodja!«
»Ja.«
Schutt suchte ihn lange mit den Augen.
»Wie wär‘s mit ‘ner kleinen Swingereinlage?«
»Nur zu.«
»Ich geb dir Arina, und du gibst mir Sweta.«
»Wer ist Arina?«
»Na, die da!«
Edik wies mit seinem dicken Finger auf das Mädchen. Sie ähnelte einem seltsamen, nackthäutigen Tier.
»Und wen geb ich dir?«
»Swetka.«
»Was meinst du damit, Swetka? Nein, Swetka geb ich nicht her.«
»Warum?«
Edik war ehrlich erstaunt, wie ein Kind.
»Swetka? Nein, das kann ich nicht.«
»Das heißt, ich kann meine Frau hergeben und du deine nicht?«
»Das ist nichts Ernstes.«
»So bist du zu mir? So gehst du mit einem Kumpel um?«
»Was haben die Kumpel damit zu tun? Du weißt doch. Mit Swetka ist es mir ernst.«
»Das heißt, ich hab mir ‘ne Schlampe angelacht, aber bei dir ist es was Ernstes?«
»Wieso denn Schlampe? Ich will Swetka heiraten. Aber willst du diese – (»Arina«, soufflierte Edik. »Ja. Arina«, nickte Schutt.) Willst du sie heiraten?«
»Natürlich! Vom Fleck weg! Von mir aus schon morgen. Bei mir ist alles superernst. Ich bin bloß nicht so. Für meine Kumpel – wie soll ich sagen? Ein Stück Fleisch würd ich mir aus der Seite schneiden und überm Feuerzeug rösten. Wenn‘s für einen guten Kumpel wäre. Aber du – wegen so ‘ner Tussi. Ach, Wolodja, Wolodja ...«
Schutt hob den Blick zu ihm. Warf den Kopf zurück, bewegte die Schulter und straffte gleichzeitig mehrmals den Rücken. Er war derart betrunken, dass man fürchtete, gleich werde sein Körper in lauter Einzelwesen zerfallen und jedes in eine andere Ecke laufen.
»Nei-ein ... Also, ich ...«
Er seufzte. Es klang wie ein Schluchzen.
»Du machst Witze, oder?«
Edik grinste und schwieg. Sweta sah lächelnd fern. Schutts Fernseher war auch neu. Ziemlich teuer. Auf dem Bildschirm riss jemand seinen roten Mund weit auf.
»Natürlich, Witze. Was soll das ganze Gequatsche? Komm, lass uns trinken. Wann hätte ich dich je gekränkt, Wolodja?« Schutt trank aus. Dann noch einmal. Dann fing er an zu husten und ging aus dem Zimmer. Ich stieß mit jemandem an, verschüttete Wodka, schrie irgendwas. Die dickwangige Arina zog die große Oberlippe hoch. Der Fernseher verschwamm mir vor den Augen. Auf dem Tisch häuften sich Essensreste.
Ich schaute in die Küche. Schutt lag auf dem Sofa und schlief. Nach ein paar Minuten übergab er sich auf das Kissen. Ich zog seinen Kopf ein bisschen zur Seite, damit er sich nicht verschluckte. Neben seiner Nase lag auf dem Kopfkissen das goldene Kruzifix von seinem Hals. An dem Metall klebten halb verdaute Krümel.
Ich trank weiter. Das Ledergesicht Arinas glitt immer tiefer nach unten. Ich erinnere mich an den Abdruck vom straffen Gummiband ihres Höschens auf ihrer Hüfte. Als alles vorbei war, fühlte ich mich etwas nüchterner und trank sofort wieder weiter. Sweta tanzte zum laut brüllenden Radio. Bei jeder Bewegung bebte ihre Brust und schlug klatschend an die nackten Rippen. Das Geräusch erinnerte an urzeitliche Tamtam-Klänge.
Als ich zur Toilette musste, versuchte ich, mir klar zu werden, wie man am besten dorthin kam. Man konnte durch die Küche gehen, aber in der Küche lag Schutt. Man konnte auch durch das große Zimmer gehen. Dort standen ein riesiger Schrank mit einem Spiegel und ein riesiges Bett. In dem Zimmer roch es immer nach Büchern, gemütlichen Puffs
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