Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Machos weinen nicht

Machos weinen nicht

Titel: Machos weinen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
glaubte er, sie mache ihn männlicher. Hinter seinem Rücken nannten seine Bekannten diese Borsten »Schambehaarung«. Nach den letzten Wahlen hatte er sich eine Wohnung in Kuptschino gekauft. Nach diesen wollte er sich ein Auto kaufen. Aber knickrig war Sologub nicht. Er war immer bereit, seine Informationen mit Leuten wie mir zu teilen. Außerdem bewirtete er seine Kollegen häufig mit Alkohol.
    Wenn er einen in die Cafeteria einlud, holte er jedes Mal auch Felix dazu. Verband das Angenehme mit dem Nützlichen. Felix war Pressesekretär einer kleinen Abteilung im ersten Stock und hatte immer etwas Interessantes zu erzählen. Er trug teure, aber unauffällige Jacketts und schmale Krawatten. Wenn er telefonierte, klemmte er sich den Hörer an die Schulter und kritzelte gleichzeitig etwas auf seinen Organizer. Auch ein sehr angenehmer Mann und höchstwahrscheinlich auch Jude.
    Die heutige Party hatte nach dem üblichen Schema begonnen. Zuerst gab Sologub für alle Kognak aus. Die Cafeteria hatte hohe Decken, schmiedeeiserne Kronleuchter und abgetretene Läufer. Am Eingang kontrollierte ein Sicherheitsmann mit dem ehrlichen Gesicht eines Mörders die Ausweise. Über die Wangen der Dame an der Kasse krochen rote Äderchen. Ein heiserer Bariton, lustige Strumpfhöschen an mageren Beinen. Das Wechselgeld gab sie genau abgezählt zurück. Gewissenhaft zählten die Kunden es nach. Die am Tisch sitzenden Männer trugen Krawatten und Brillen mit getönten Gläsern. Die Frauen hatten gewaltige Hinterteile und Broschen an den Kleidern.
    »Ein blödes Wetter. Nicht wahr, Janet?«
    »Was? Das Wetter? Ja.«
    »Ich mag keinen Regen. Mögen Sie ihn?«
    »Was? Nein. Ich mag ihn nicht.«
    »Bei Ihnen in Australien ist jetzt sicher Frühling?«
    »Ja. Frühling.«
    »Sicher blüht alles?«
    »Ja. Es blüht.«
    »Gibt es in Australien Schnee?«
    »Was? Schnee? Nein, es gibt keinen Schnee.«
    Bei uns saß die australische Journalistin Janet. Im Smolny studierte sie die russischen Wahlkampfstrategien. Die Männer plusterten sich vor ihr auf. Ihre Anstrengungen waren vergeblich. Dem Mädchen fehlten die Sprachkenntnisse. Helles Haar, Schmollmund. Wäre sie nicht ein Mädchen aus dem Westen gewesen, hätte sie ganz nett sein können. Kann man eigentlich sagen, dass Australien im Westen liegt?
    Es regnete schon mehrere Tage hintereinander. Die Wolken hingen so tief, dass man auf der Straße leicht gebückt gehen musste. In der Cafeteria brannten eine Menge gemütlicher elektrischer Lampen. Ab und zu fragte Felix, ob Janet irgendetwas wolle. Obst vielleicht oder Eis? Wenn er ein Glas Kognak kaufte, goss er es jedes Mal zur Tarnung in den Kaffee.
    Meine Hauptempfindung war das Gefühl von Hunger. Es gab eine Zeit, in der auch ich glaubte, hungriges Flimmern vor den Augen und ein wöchentlicher Gewichtsverlust um ein Loch im Gürtel sei etwas aus Reportagen über Afrika. Aber vor kurzem, als ich bei einem flüchtigen Bekannten zu Besuch war, wartete ich, bis der Hausherr hinausging, um zu telefonieren, holte mir dann heimlich ein riesiges Stück Käse aus dem Kühlschrank und verschlang es zusammen mit der Hülle. Schon seit einigen Wochen war das einzige essbare Produkt in meiner Wohnung Ketchup.
    Jede halbe Stunde ging Felix in sein Büro hinauf. Er wollte wissen, ob es Anweisungen von seinem Chef gab. Der Abteilungsleiter war unterwegs, Anweisungen waren keine hinterlassen worden. Sologub schenkte dem Mädchen Kognak nach. Aus ihrem Gespräch erreichten mich Wortfetzen von der Art wie: »Abteilung neun des KGB« und »gekaufte Meinungsumfrage«.
    Der erste Schluck Alkohol auf nüchternen Magen ist wie ein Schlag unter die Gürtellinie. Beim dritten Glas gehorcht dir die Zunge nicht mehr, und die Frage taucht auf: Was tue ich hier eigentlich? Seltsam: Die chemische Verbindung Alkohol durchtränkt dir die Magenwände, und deine Persönlichkeit verändert sich. Und dieser ewige Kaffee. Danach hat man besonders heftigen Hunger.
    Ich betrachtete aus zusammengekniffenen Augen meine Tischnachbarn. Sie hatten ausgesprochen hämorrhoidale Profile. Mir schien, als wäre ich betrunkener als alle anderen im Gebäude. Als ich den nächsten Kognak ausgetrunken hatte, begriff ich, dass mir diese Gesellschaft definitiv nicht gefiel.
    »Weißt du was, Felix? Ich wollte es dir schon längst sagen. Eine bescheuerte Arbeit hast du, Felix.«
    »Wieso?«
    »Sie ist eben bescheuert, und basta!«
    Felix blickte mich aufmerksam an.
    »Na gut. Ich hab eine

Weitere Kostenlose Bücher