Machos weinen nicht
auf!«
»Wieso? Hier ist er doch ermordet worden, oder nicht?«
»Ja, schon.«
»Das war doch gleich hier um die Ecke, nicht?«
»Ja, schon.«
»Dann muss es auch einen Geist geben. Komm, wir suchen ihn! Man könnte ihn nach den Ergebnissen der Abstimmung befragen. Stell dir vor, wenn ich schon eine Woche vor den Wahlen alles bis auf den letzten Prozentpunkt Vorhersagen könnte!«
»Nein, Kinder, lasst uns hier im Büro bleiben.«
»Ach, komm schon! Lass uns ein bisschen rumbummeln! Wir machen eine Führung für Janet. Jenny, wollen Sie mal in Lenins Bett liegen?«
»In Lenins Bett? Hat er denn hier geschlafen? In diesem Gebäude?«
»Geschlafen und gegessen. Und mit der Krupskaja, Sie wissen schon ...«
»Machen Sie Witze?«
»Witze? Das ist doch das Smolny! Einen Stock höher wird ein Spiegel aufbewahrt, von dem Lenin Kokain geschnupft hat!«
»Lenin hat Kokain geschnupft? Machen Sie Witze?«
Felix schnitt ein finsteres Gesicht.
»Nein, wir gehen nirgends hin. Stell dir vor, man sieht uns. Weißt du, wie man mich an höherer Stelle dafür zusammenscheißt? Entschuldigen Sie, Schannotschka.«
»Ich heiße nicht Schanna, sondern Janet. Das ist ein anderer Name.«
Wir tranken Kognak. Felix goss ihn aus einem unter dem Tisch stehenden Kanister ein. Zuerst tranken wir kalten Tee dazu, dann einfach Wasser. Der Untergebene arbeitete schweigend. Als er schließlich seinen Bericht auf den Tisch legte, versuchte Felix, darin zu lesen. Sagte, offenbar sei alles in Ordnung, aber Genaueres könne er erst morgen sagen.
»Schannotschka, soll ich Sie mit den image makers bekannt machen? Mit sehr berühmten image makers? Sie können sich nicht vorstellen, was das für Leute sind! Ich mache Sie unbedingt mit ihnen bekannt. Möchten Sie noch Kognak?«
»Nur ein bisschen.«
Dann stand Sologub auf.
»Was wollte ich noch sagen? Nun hört doch endlich mal zu! Ich wollte etwas zu dem sagen, was in der Cafeteria passiert ist.«
»Eine dumme Sache.«
»Ich hab mich doch schon entschuldigt.«
»Das meine ich nicht. Nur – um es zu Ende zu bringen ...«
»Ja! Bringen wir‘s zu Ende!«
»Ich möchte einen Trinkspruch ausbringen auf... Auf der Welt gibt es nicht nur Scheiße. Hört ihr? Es gibt auf der Welt auch – na, Freundschaft zum Beispiel – Zynismus hin, Zynismus her, aber das Gute überwiegt doch! Lasst uns auf das Lichte, Gute trinken! Auf die Dinge, die – na, ihr wisst schon.«
»Auf die Mädchen.«
»Auf die Mädchen! Ja! Auf normale Beziehungen zwischen den Menschen! Denn wir sind doch alle Menschen! Sitzen zusammen! Auf das wenige Heilige, das es in unserem Leben noch gibt! Auf dass wir alle – auch in Zukunft – na, ihr wisst schon.«
Im Licht der elektrischen Lampe erinnerte das Büro ein wenig an eine veredelte Kasematte. Vor mir auf dem Tisch stand ein Foto von Felix‘ Frau. An der braunen Wand hing ein Plakat mit dem Gesicht des Gouverneurs. Die Papiere auf dem Tisch waren penibel geordnet. Vor ein paar Stunden war auch Felix selbst noch in Ordnung gewesen. Aber jetzt war der letzte Hemdknopf vor der Hose aufgegangen, und durch den Spalt schaute sein behaarter Bauch heraus. Mit jedem Schluck wurde sein Gesicht gummiartiger. Als Janet zur Toilette ging, flüsterte Felix verschwörerisch: »Jungs, lasst uns die Australierin durchficken, ja?«
Sologub wandte sich höflich ab. Ich sagte, man werde sehen. Dann war der Kognak zu Ende gewesen, und man hatte beschlossen, irgendwohin zu gehen.
»Ins ›Conti‹? Obwohl, so wie wir aussehen ... Und die Clubs hier in der Nähe – äh – , schlagt doch was vor, warum sagt ihr nichts?«
Wir einigten uns auf die »Truhe«. Lange gingen wir an massiven Türen vorbei und stiegen enge Eisentreppen hinunter. »Leiser! Nein, nicht hier lang, das ist verboten! Und hört endlich auf zu hicksen!« Als Felix sich den Mantel anzog, vergaß er den Seidenschal aus dem Ärmel zu nehmen. Der Schal fiel auf den Boden, und er trat mit dem Schuh darauf. Er sagte »Scheiße!« und wickelte ihn sich mehrmals um den Hals.
Das Lenin-Denkmal vor der Fassade des Smolny wirkte klein und schutzlos. Auf die runde Glatze trommelte feiner Sprühregen. Ich sagte, das sei vermutlich ein Denkmal für Lenin als Kind. Sologub schlug sich effektvoll vor die Stirn.
»Hört mal! Sollen wir nicht in die Banja gehen?«
»Schannotschka, sollen wir in die Banja gehen?«
»Ich heiße nicht Schannotschka, sondern Janet. Das ist ein anderer Name.«
»Ich finde, das ist eine
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