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Machos weinen nicht

Machos weinen nicht

Titel: Machos weinen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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der verzerrte Mund an. Alles zusammengenommen ähnelte sein Gesicht einer getönten Autoscheibe. Mit einer Hand hielt er sich die Leiste.
    »Brauchst du noch lange?«
    »Was willst du?«
    »Rat mal.«
    »Musst du mich unbedingt unterbrechen?«
    »Na, wie lange brauchst du denn?«
    Die Tür öffnete sich noch einmal, und Sologub kam in die Dusche. Glauben die eigentlich, eine Erektion sei so was Ähnliches wie die dressierte Kremlwache?
    »Felix, gehen wir! Stör nicht!«
    »Warte, ich will zusehen!«
    »Sag‘s ihm!«
    »Ich bin ganz leise. Ich störe nicht.«
    »Darf ich vielleicht mal ‘ne Weile allein sein?«
    »Wieso denn?«
    »Felix, bitte, geh raus. Ich will das nicht. Ich ..., verstehst du?«
    »Schon gut, schon gut! Los, Jungs, vögeln wir dieses Miststück mal ordentlich durch!«
    »Du hast wohl zu viele Filme mit Beavis und Butthead gesehen?«
    »Was soll das denn? He, du Miststück, dreh dich um!«
    »Hör auf. Lass das Mädchen in Ruhe.«
    »Mädchen? Was für ein Mädchen? Haben wir sie bezahlt oder nicht? Sie soll sich umdrehen!«
    »Felix, ich bitte dich!«
    »Magst du das, wenn man dir den Arsch aufreißt, he? O jaa, das gefällt dir, du Hündin!«
    »Das tut weh! Au! Was machst du?«
    »Na los, komm schon!«
    »Felix, es reicht! Das hat uns gerade noch gefehlt, dass wir in der Banja Ärger kriegen!«
    »Wieso Ärger? Die Hündin soll was tun für ihr Geld! Los, komm schon, los, du blöde Zicke! Den Hintern rum!«
    Hinter Sologub schlug die Tür zu. Die Prostituierte schielte in meine Richtung und seufzte. Auf ihrer blassen Haut sahen Felix‘ Hände tief gebräunt aus. Vorgestern hatte er erzählt, dass er in diesem Sommer mit seiner Frau irgendwo am Meer Urlaub gemacht hatte.
    »Bist du denn zu nichts zu gebrauchen? Pass auf, wenn es mir nicht gefällt, dann werde ich ...«
    Ich ging zurück in den Umkleideraum. Dort war es kälter als in der Dusche. Die Zigarette mit feuchten Fingern zu halten war unbequem. Meine Fingernägel sahen unglaublich rosa aus. »Wie war‘s? Bist du einigermaßen gekommen?«
    »Wie soll man wohl kommen, mit diesem Felix!«
    »Tja. Und mit dieser Janet ... Ist auch blöd gelaufen.«
    »Ist noch Wodka da?«
    Meine Lippen waren auch feucht. Ich schmeckte den Rauch überhaupt nicht. Dafür schmeckte ich meinen Hunger. Bei jeder raschen Bewegung hüpfte mir etwas vor den Augen. An den Rändern wurde das Bild undeutlich und zerfloss. Wenigstens gewaschen hatte ich mich, das war ja auch schon was. »Mir hat sie gefallen. Sie war lieb.«
    »Lieb?«
    »Sie hat‘s mir gemacht wie einem alten Freund.«
    »Wie schön für dich.«
    In das Fenster im Umkleideraum waren Platten aus dickem, undurchsichtigem Glas eingesetzt. Draußen wurde es langsam hell. Sologub sagte etwas und rutschte im Sessel herum. »Reichlich lange brauchen die. Guck doch mal lieber nach, ja?« In der Schule hatte ich in Anatomie eine glatte Zwei. Aber wie er es geschafft hatte, ihr derart die Beine zu verdrehen, kapierte ich trotzdem nicht. Auf dem Rücken hatte Felix ein paar eklige Falten. Überraschend eingefallene Hinterbacken bildeten das Ende des Rückens. Die schmalen Frauenarme waren gegen die glitschige Wand gestemmt. Alles zusammen erinnerte an einen Bulldozer bei der Arbeit oder an den Nahkampf zwischen einem Einhorn und einem Kanalisationsrohr. Unter der abfallenden Männerschulter sah das zusammengeschrumpfte Gesichtchen der Prostituierten hervor. Es war vor Schmerz verzerrt und stieß die obligatorischen Schluchzer hervor.
    Man sagt, vor der Revolution hätten die gefallenen Frauen die reichen Herrschaften mit dem Satz geködert: »Ich bin die Unbekannte. Wollen Sie mich nicht kennen lernen?« Es herrscht die Meinung, mit Prostituierten sei es auf ganz besondere Weise schön. Aber haben Sie persönlich schon mal versucht, eine Prostituierte zu kaufen?
    In Petersburg befindet sich das Viertel der Roten Laternen auf den paar Straßen rund um den Moskauer Bahnhof. Am Platz des Aufstands sind die Straßen dunkel und menschenleer. Zum Alexander-Newski-Kloster hin wird es etwas heller. Die Schilder der Modeboutiquen geben dem Bezirk einen europäischen Anstrich. In rund um die Uhr geöffneten Geschäften werden hier bis zu zwei Dutzend Spielarten von Präservativen verkauft.
    Wie alle Frauen, die gezwungen sind, viel Zeit miteinander zu verbringen, glucken die Prostituierten in Grüppchen zusammen, weisen dreiste Kolleginnen, die sich zu viel herausnehmen, in ihre Grenzen und lächeln ihren Freundinnen

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