Machos weinen nicht
denke: wie das? Warum wird es mir nach dem Tod schlecht gehen? Vor der Ikone bin ich auf die Knie gefallen. Aber ich kann ja gar nicht beten, verstehst du? Ich knie da wie der letzte Esel! Ich lausche. Und – verdammt, wie soll ich es sagen? Also, ich begreife gewissermaßen, dass ich es TATSÄCHLICH schwer haben werde nach meinem Tod! Na, die Hölle sozusagen – und all so was – verstehst du? Ich knie und bin fix und fertig!«
Kirill erzählte, wie er in der Nacht, zugedeckt mit seiner dünnen Jacke, auf dem steinernen Fußboden der Kirche geschlafen hatte. Er zitterte vor Kälte. In der Kuppel der alten Kirche raschelten mit zottigen Flügeln die Engel. Da begriff er plötzlich, was es heißt zu sündigen, und er weinte, als er auf die trübgoldenen Ikonen sah. Dort berührte sein gekreuzigter Gott mit den Fingern den winterlichen Himmel. Er fürchtete sich und fühlte, dass er sich nicht zu fürchten brauchte. Zahn war längst nach Petersburg zurückgefahren. Kirill lebte immer noch in der Lawra.
Jetzt musste sich alles in seinem Leben ändern. Statt der kannibalischen Poster an der Wand tauchte ein Kruzifix in seinem Zimmer auf. Über dem Sofa hing eine Papierikone mit der Jungfrau Maria. Die Gottesmutter schlug traurig die Augen nieder und berührte mit zarten Fingerchen ihr großes Herz. Er rasierte sich nicht mehr den Kopf und trug einen grauen Ring mit den Worten »Herr Jesus Christus, erbarme dich meiner, des Sünders«. Er wusste, was es heißt, ein Sünder zu sein. Er hörte Choräle und las die Bibel. Am Ende des Winters war er bis zum Buch der Richter gekommen. Er verstand zwar nicht viel, aber er las trotzdem.
An den Sonntagen ging Kirill in die Kirche. Nach langem Überlegen hatte er sich für eine kleine Kirche in einem Neubaugebiet entschieden. Sie lag mitten in einem großen Hof, und ringsum standen im Quadrat neunstöckige Hochhausblocks. Eine typische russische Kirche mit Glockentürmen und zwiebelförmigen Kuppeln drauf. Vielleicht rief diese Architektur irgendwelche Assoziationen an Susdal bei ihm hervor? Die Gemeindemitglieder aus den umliegenden Häusern brauchten nur rasch ihre Jacken überzuwerfen und konnten zum Gottesdienst laufen.
Einmal in der Woche lud der Kirchenvorsteher zum Tee ein. Dort führte man geruhsame Gespräche. Kirill lauschte aufmerksam. Zu Hause lernte er die unverständlichen Gebete auswendig. Jeden Abend kniete er nieder und bat den unbekannten Gott, der zu ihm in der Lawra gesprochen hatte, Er möge die befreien, die in der Hölle litten ... Niemand solle mehr in der Hölle schmoren ... Du kannst es ja, Gott! Bitte ... Die Hölle ist ja so schrecklich!
Allein, ganz in Schwarz, streifte er durch die winterlichen Straßen und lächelte. So war es richtig. Er musste allein sein. Vieles verstehen. Manchmal setzte er sich auf irgendeine Bank und schaute sich einfach um. Stellte sich vor, wie er mit siebzig sein würde. Mit grauem Bart. In so einem Pullover mit einem Schädel auf der Brust ... Manchmal fuhr er irgendwohin und ging spazieren. Einmal fuhr er bis Selenogorsk und schaute über die Wipfel der kahlen Bäume auf die Kuppeln der Kathedrale. Er war ein Agent, und alle Kirchen der Welt waren konspirative Wohnungen. Die Kathedrale hatte eine gewaltige, himmelblau gestrichene Decke. Durch die Fenster schien die Wintersonne. Es war still und leer. Nur eine Frau in mittleren Jahren reinigte die Kerzenständer und sang mit schöner Stimme laut Psalmen. Das Leben erinnerte an einen unwahrscheinlichen Film.
Was ihm zu begreifen gelang, teilte er seiner Umwelt mit. Ihm schien, er sei tatsächlich WISSEND. Mir war es peinlich, ihm zuzuhören. So fühlt man sich, wenn man morgens ein unbekanntes Mädchen zur Tür bringt und sie einen fragt, wann du kommst, um ihre Eltern kennen zu lernen.
»Vor ein paar Jahren wollte ich Urlaub in Karelien machen. Mit Privatpension, Kiefern und so weiter. Ich stopfte einen ganzen Rucksack mit Jeans und T-Shirts voll. Aber dann fiel es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen. In der Pension waren vermutlich nur Damen über vierzig, und die karelischen Mädchen – wie soll ich sagen – die sind von der Sorte, die erst mit dem Ring am Finger zu dir in die Kiste steigt. Ich war so down, am liebsten hätte ich die Reise wieder abgesagt! Eine Woche ohne Sex! Ich würde ja platzen! Und jetzt weiß ich kaum noch, wie das ist. Nicht mal der Gedanke daran taucht auf.«
»Wirklich überhaupt nicht?«
Er dachte nach.
»Neulich hab ich mal
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