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Machos weinen nicht

Machos weinen nicht

Titel: Machos weinen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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davon geträumt. Als hätte ich alles vergessen ... Als wäre alles aus meinem Kopf rausgeflogen und ich hätte mit jemandem geschlafen. Wie früher. Du wirst es nicht glauben – ich wachte weinend auf! Ich lag im Bett und dachte: Wie soll ich nach so was weiterleben?«
    Er bewirtete mich mit Tee. Auf dem Tisch stand eine aufgeschnittene Mohnrolle. Neben dem Sofa erblickte ich ein in der Mitte aufgeschlagenes Büchlein in einem schwarzen Einband. »Afanassi der Große. Werke.« Ich fragte, ob es eine interessante Lektüre sei. Kirill sagte, noch sei es schwierig. Aber mit der Zeit ...
    »Wird dir nicht langweilig?«
    »Wie meinst du das?«
    »Na, überhaupt. Du bist doch an ein anderes Leben gewöhnt.«
    »Tja, gewöhnt – ich bin schon entwöhnt. Das, was ich jetzt habe, ist besser.«
    »Spielst du noch?«
    »Ich weiß nicht. Das ist schwierig. Wie früher will ich nicht mehr. Ich möchte religiöse Musik machen. Das heißt – solchen Rockabilly, dass man ihn auch in der Kirche spielen könnte.«
    »Irre Idee! Geht das?«
    »Na ja. Ich hab‘s versucht, mal so, mal so. Bis jetzt klappt es nicht. Neulich dachte ich: Ich verkaufe die Scheißgitarre und fahre in die Lawra. Für drei Monate. Und das Geld spende ich dem Kloster. Übrigens, hast du nicht auch Lust hinzufahren? Es würde dir gefallen.«
    »Willst du wirklich alles hinwerfen? So warst du doch früher gar nicht.«
    »Nein, früher nicht.«
    »Du warst doch mal die Number One!«
    »Ich bin auch jetzt die Number One!«
    Wir machten irgendwas aus. Irgendwer sollte irgendwen anrufen ... Manchmal fragte ich bei gemeinsamen Bekannten nach ihm. Die zuckten die Achseln: Vermutlich ist er in seine Lawra gefahren.
    In dieser Zeit trank ich gern Bier zusammen mit einer Bekannten, einer Koreanerin. Sie hatte üppige gelockte Haare und Augen, die aussahen wie gemalt. Sehr sinnliche Augen. Sie war eine echte Koreanerin, obwohl sie in Petersburg geboren war. Manchmal wurde sie auch von jemand anderem zum Bier eingeladen.
    Solche Mädchen tauchen im Lenisdat etwa einmal in drei Monaten auf. Vielleicht sind sie Mitglieder eines geheimen Fanklubs aller Journalisten von Petersburg zusammengenommen? Die Mädchen werden auf Präsentationen geschleppt, man macht sie mit Prominenten bekannt, und dann schließt man sich mit ihnen im Redaktionsbüro ein. Wenn sie wieder rauskommen, streichen sie sich gleichmütig die zerknitterten Röcke glatt. Das geht so eine Zeit lang, und dann verschwinden die Mädchen. Die Arbeit bei Petersburger Zeitungen wird schlecht bezahlt. Müssen die Journalisten da nicht wenigstens ein paar Freuden haben?
    Diesmal stand keine Party auf dem Plan. Einer von den Kollegen hatte eine Flasche Sekt gekauft. Es waren so viele Leute da, dass ich nicht einmal mitbekam, wie er schmeckte. Dann zogen alle weiter in die »Jurassic Bar« um die Ecke. Danach saßen sie im Garten neben der öffentlichen Bücherei.
    »Wozu musste man diesen Sekt kaufen?«
    »Wohin gehen wir?«
    In einer versteckten Ecke hinter den Bäumen pinkelte ein Mann in Hut und mit Aktentasche in die Sträucher. Geld war nur noch katastrophal wenig da. Die Koreanerin zupfte den Fotografen Schtschukin am Ärmel.
    »Fotografier mich!«
    »Lass mich in Ruhe!«
    »Fotografier mich schon!«
    »Weißt du, wie viel mein Film kostet?«
    »Und wenn ich den BH ausziehe? Fotografierst du mich dann?« Ich schlug vor, ins »Money-Honey« zu gehen.
    »Ist es da teuer?«
    »Es geht so.«
    »Muss man für den Eintritt zahlen?«
    »Das regle ich schon.«
    »Bestimmt?«
    »Na, jedenfalls will ich‘s versuchen.«
    Wir beschlossen, zu Fuß zu gehen. Unterwegs tranken wir weiter Bier. Die Koreanerin versuchte aufzustoßen, überlegte es sich aber wieder anders. Das »Money-Honey« liegt hinter der Einfriedung des Apraxin Dwor. Unter dem Torbogen ist dort gewöhnlich alles vollgekotzt, und Bananenkisten liegen herum. Mir kam der Gedanke, die anderen sausen zu lassen und mich mit der Koreanerin zu verdrücken. Aber eigentlich hatte ich mehr Lust auf Bier. Ein paarmal stolperte ich über irgendwas. Vor dem Eingang drängten sich Mädchen und Sicherheitsleute in Tarnuniformen.
    Wissen Sie, wen ich erblickte, als ich hineinging? Ja genau, Kirill. Lang, hager, spöttisch grinsend, saß er rittlings auf einem Stuhl auf der Bühne. Den Kopf wieder kahl geschoren, im höhnischen T-Shirt. Die Stiefel so spitz, dass du dir den Finger verbinden musst, wenn du dran gestoßen bist.
    Kirill hielt eine Flasche Baltika Nr. 5 in der

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