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Machos weinen nicht

Machos weinen nicht

Titel: Machos weinen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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oft, Alkohol sei keine Sünde. Sogar die Kommunion werde in Form von Wein gereicht. Nur sehr wenige von seinen Freunden wussten, was Kommunion ist.
    Irgendwann fragte ich ihn, ob er noch in die Kirche ginge. Kirill antwortete, was sonst. Natürlich ginge er. Wenngleich auch seltener als früher. Dann fuhr er doch wieder in die Lawra. Lebte zwei Wochen in dem Trakt für die Novizen. Hackte Holz, stand den ganzen Vierundzwanzig-Stunden-Zyklus der Gottesdienste durch. Als er zurückkehrte, erzählte er den Freunden nichts mehr von der Bibel. Er fing verstärkt an zu proben. Dann erfuhr ich, dass Kirill mit der Diagnose »Hepatitis B« in den Botkin-Baracken liege.
    Die Baracken sind schon im Mai ein trostloser Ort, aber erst Anfang Winter ... Man biegt vom Newski ab, geht an einem Schild mit der Aufschrift »Patienten mit Psoriasis – Box Nr. 3« vorbei und kommt zu einer ein halbes Jahrhundert alten Kolchose. Plump sich spreizende schwarze Bäume, bröckelnde Fassaden. Ein Mann mit einem Säufergesicht fährt etwas auf einem Wagen vorbei. Vielleicht amputierte Beine.
    Bis ich seine Abteilung gefunden hatte, vergingen zwanzig Minuten. Es stank nach Erbrochenem. Die Abteilung befand sich im zweiten Stock. Man musste über eine Außentreppe aus Beton hinaufsteigen. Auf den Stufen lagen hier und da versteinerte Häuflein. Offenbar hatte jemand vor kurzem versucht, die Tür zur Abteilung in Brand zu stecken.
    Kirill hatte geschwollene Lider. Er stieß den Kopf merkwürdig in die Luft, als wolle er dauernd loskichern. Auf den Betten saßen mehrere junge Männer. Alle wurden wegen Hepatitis behandelt. Kirills sommersprossiger Bettnachbar war von der Miliz in die Botkin-Baracken gebracht worden. Der Junge war in Untersuchungshaft. Jeden Morgen kontrollierte die Dienst habende Schwester, ob er nicht geflohen war. Es war mir peinlich, die für Kirill mitgebrachte Apfelsine aus der Tasche zu holen. Er bot mir Tee an. Ich versuchte, mich zu erinnern, wie Hepatitis übertragen wird. Den Tee lehnte ich vorsichtshalber ab. Kirill erzählte, was eine Punktion ist. Dann berichtete er, dass die Jungs aus der Nachbarabteilung vor kurzem in den Garten gegangen seien, um Marihuana zu rauchen. Im Gebüsch entdeckten sie eine betrunkene Frau im Kittel und schliefen ein paarmal mit ihr. Aber dann stellte sich heraus, dass die Frau nicht betrunken, sondern bewusstlos gewesen war. Am selben Abend starb sie.
    Dann begleitete er mich zum Ausgang.
    »Hast du begriffen, ja? Das ist Heroin.«
    »Hab ich mir gedacht.«
    Geschneit hatte es noch nicht. Die Krähen pickten an der mit Raureif bedeckten Erde.
    »Es geht mich natürlich nichts an. Aber du solltest dich besser nicht auf so ein Scheißzeug einlassen.«
    »Du bist bestimmt der Hundertste, der mir das sagt.«
    Ich schwieg eine Weile. Dann fragte ich: »Macht es wenigstens Spaß?«
    »Heroin? Und wie! Besser als Sex. Nein, das ist nur ein Witz. Aber – ganz gut.«
    Danach sahen wir uns selten. Ich trank viel in diesem Winter. Nicht so viel wie jetzt, aber WIRKLICH viel. Ich fand heraus, dass Kleider, wenn man zwei Wochen darin schläft, ohne sie auszuziehen, ausbleichen und auf dem Körper abfärben. Gelegentlich stieß ich auf Plakate für seine Konzerte. Noch seltener telefonierten wir miteinander.
    Nicht lange vor Neujahr trat die Geigerin Vanessa Mae, die gerade in Mode war, in Petersburg auf. Bei ihrem Konzert lernte ich Lena kennen. Die Geigerin war so lala, aber das Mädchen war gut. Im Grunde habe ich den Geschmack eines LKW-Fahrers. Ich mag vollbusige Blondinen, die größer sind als ich. Lena war zwar blond, aber klein und fast ohne Busen. Dafür bestand sie darauf, als wir zu mir fuhren, dass wir oralen Sex machten. Wir verabredeten uns zum Ausgehen und hatten noch ein paarmal Sex. Dann erinnerte ich mich an Kirill. Ich schlug ihr vor, ihn zu besuchen.
    »Wird das interessant sein?«
    »Ich weiß nicht. Er ist Musiker. Vielleicht.«
    Es war ein warmer Winter. Am Straßenrand lagen Schneewehen von der Größe eines Kindes. Die Bürgersteige waren tonnenweise mit braunem Schneematsch bedeckt. »Schscheiße!« zischten die Fußgänger, wenn sie nach einer Furt suchten. Die Hosen der Männer waren bis zu den Knien nass und schwarz. Kirill öffnete die Tür und sagte, wir sollten reinkommen. Er hatte nur Jeans an. Auf seiner gelben Haut sahen seine Tattoos etwas verwischt aus. Außer ihm waren noch zwei andere Gäste im Zimmer. Im Sessel neben dem Couchtisch saß ein Mädchen.
    An der

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