Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Machos weinen nicht

Machos weinen nicht

Titel: Machos weinen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
hatte sich etwas Blut unter dem Verband angesammelt. Der Verband sah schmutzig aus. Ich spürte, wie der Puls in meiner Hand klopfte.
    »Idiot.«
    Sie streifte sich die Schuhe von den schönen Füßen. Im Wohnzimmer legte sie müde die Hände auf die Knie – unterdrückte ein Gähnen – hob den Blick zu mir. Ich stand schweigend da. Spöttisch lächelnd zog sie sich das Hemd über den Kopf. Models sonnen sich oben ohne. Ihre Bräune war gleichmäßig, ohne Unterbrechung durch den BH.
    »Willst du so stehen bleiben?«
    Das Licht im Zimmer war grau, morgendlich. Auf das Messingfensterbrett klopfte der letzte Schnee. Oder der erste Regen? Als ich mir die Hose auszog, verhedderte ich mich und wäre beinahe gefallen. Der linke Arm verbunden. Die rechte Hand so zerschlagen, dass die Finger sich nicht mehr biegen ließen und der Bluterguss sich unter der Haut in konzentrischen Kreisen ausbreitete.
    »Hast du ein Kondom?«
    »Nein.«
    »Schlecht. Bestimmt nicht?«
    Wenn ich ab und zu die Augen öffnete, sah ich, wie müde ihr Gesicht war. Dabei hatte alles gar nicht übel angefangen. Ich machte keinerlei Anstalten, mit ihr zu flirten. Bat sie einfach, irgendwas zu sagen. Sie lächelte.
    »Worüber?«
    »Ich weiß nicht. Sag was über die Liebe.«
    Karina hatte Geburtstag gehabt. Die Gäste versammelten sich bei ihr zu Hause. Sie wohnte in einem dieser gruseligen Backsteinbauten rund um das Gefängnis Kresty. Ihr Zimmer hatte riesige Fenster. In dem hellen Licht kamen sich alle dumm vor. Auf einem niedrigen Tischchen standen mehrere Flaschen Rotwein und belegte Brote. Ich kann solche Partys nicht ausstehen. Zuerst dachte ich sogar daran, nur ein bisschen zu trinken und wieder zu gehen. Aber dann wurde es dunkel, die überflüssigen Leute verschwanden, Wodka kam auf den Tisch. Ich blieb.
    Gegen Mitternacht kam man auf die Idee, noch tanzen zu gehen. Karina bestand auf dem Club »Wild Side«. Sie war das Geburtstagskind, niemand protestierte. Im Auto saß sie auf meinem Schoß. Ihre schöne runde Brust drückte sich direkt in mein Gesicht. Ich trank aus der Flasche und küsste sie ab und zu. Eigentlich hatten wir gar nicht so eine Beziehung, es ergab sich einfach so. Der Wagen wurde in die Höhe geschleudert, und ich hielt Karina mit den Händen fest. Gleich unter dem dünnen Stoff begann ihr heißer, begehrenswerter Körper.
    Außer uns saßen noch zwei Paare im Auto. Der Gitarrist einer wenig bekannten Gruppe mit einer Journalistin vom Moskowski Komsomolez. Plus zwei Spanier, die sich heftig abknutschten. Schon bei Karina zu Hause hatte ich sie gefragt, ob sie homosexuell seien. Sie antworteten gemeinsam, wie beim Militär. Der eine sagte: »Ja!«, der andere: »Nein!« Russisch konnten sie fast überhaupt nicht. Ihr bedrohliches spanisches »tr-r-r-r-chr« floss in ein gläsernes »elj-lj-lj« über. Die Jungs waren schön, braun gebrannt, mit schwarzen Wimpern. Tropisch und verdorben, wie überreife Bananen.
    Vom hellen und lauten Prospekt Gasa bogen wir auf den Kai des Bumaschny-Kanals ab. Es roch nach nassem Schmutz und Baumrinde. Neben den Hauseingängen hing auf Leinen Wäsche zum Trocknen. Nicht weit vom Clubeingang kotzte ein Soldat in Uniform. Als wir hineingingen, legte ich Karina den Arm um die Taille. Sie lachte und drückte sich an mich.
    An der Bar kauften wir Wodka mit Orangensaft. Ich wollte, dass sie betrunken würde.
    »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!«
    »Danke!«
    Um einander zu verstehen, mussten wir uns Vorbeugen und fast schreien. Außer der Bar gab es im »Wild Side« eine Tanzfläche. Dort war es so eng, dass die Musiker mit den Griffbrettern ihrer Gitarren an die gegenüberliegende Wand stießen. Im Großen und Ganzen war das »Wild Side« eher mittelprächtig. Die Toiletten konnte man nicht absperren.
    »Na, wieso sagst du nichts?«
    »Was soll ich denn sagen?«
    »So ein nettes Mädchen – und sagt nichts. Sag doch irgendwas.«
    »Worüber?«
    »Ich weiß nicht. Sag was über die Liebe.«
    Jeder Idiot kapiert, was solche Dialoge bedeuten. Morgen wachen wir im selben Bett auf. Vielleicht werde ich mürrisch und schlecht gelaunt sein und sehnsüchtig auf den Augenblick warten, wenn die Tür hinter ihr zuschlägt.
    »Über die Liebe? Na denn ... Hör zu, wenn‘s dich interessiert.« Sie gehörte nicht zu denen, die auf die Frage »Wie geht‘s?« anfangen zu erzählen, wie es ihnen geht. Ich weiß nicht, was sie getrieben hat. Aber sie redete ... Und ich hörte zu.
    Es gab eine Zeit, da

Weitere Kostenlose Bücher