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Machos weinen nicht

Machos weinen nicht

Titel: Machos weinen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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besuchte Karina eine Kunstschule. Jeden Sommer machten die Schüler eine Exkursion. Die Lehrer wollten, dass ihre Schützlinge wirklich begriffen, was das Wort »Kunst« bedeutet. Karina fuhr nach Moskau, ins Baltikum, in die Städte des Goldenen Rings. Als sie dreizehn war, fuhr ihre Klasse ins Gebiet Pskow, um die Fresken in den dortigen Klöstern zu studieren. Sicher war sie schon damals so wie heute – schön, begehrenswert. Eins der Klöster wurde gerade restauriert, die meisten Räume standen leer. Dort im Kloster, direkt in einer Zelle, wurde sie von zwei betrunkenen Mönchen vergewaltigt.
    »Was heißt Mönche?«
    »Das heißt Mönche.«
    »Das gibt es nicht!«
    »Denkst du, ich lüge?«
    »Keine Arbeiter? Keine Novizen? Richtige Mönche?«
    »Was weiß ich, so genau kenne ich mich da nicht aus! Sie hatten beide Bärte ... Als sie über mich hergefallen sind, haben sie ihre schwarzen Kittel hochgehoben ...«
    Wir schwiegen. Verflixt! Alles hatte so gut angefangen. Sie sollte doch nicht mit den Spaniern von hier Weggehen müssen! Aber jetzt ...
    Am Morgen saß ich in dem Straßencafe beim Haus der Journalisten. Es war irgendein Feiertag. Über den Newski marschierten Militärkapellen. Mein Tisch war wie ein Sklave mit einer Kette am Bein an die Mauer gefesselt. Der getaute Schnee hatte graue Schmutzspuren auf ihm hinterlassen. Die Backen der Trompeter blähten sich hässlich auf. Ich trank Cola aus einem Pappbecher. Arme Kleine ... Arme Kleine ... Arme Kleine ... Karina war Model. Sie konnte sowohl auf dem Laufsteg wie auch für Werbefilme arbeiten. Obwohl die Mädchen gewöhnlich nur eins von beiden machen können. Nicht lange vor ihrem Geburtstag war sie zu einer Modenschau nach London gefahren. Sie sagte, man habe ihr dort einen RIESENHAUFEN Geld gezahlt! Sie gab damit an, was für klasse Röcke sie sich am Piccadilly Circus gekauft hätte. Davor war ihr Gesicht in einem Werbeclip für ein bekanntes Shampoo erschienen, der in allen Sendern gelaufen war.
    Als die Moskauer Modemacherin Mascha Zigal ihre Kollektion »Favoriten des Mondes« im »Kontinent« zeigte, wurde Karina aus mehreren Dutzend Bewerberinnen ausgewählt. Vor der Modenschau saß ich im Umkleideraum im ersten Stock des Clubs und glotzte die barbusigen Models an. Sie zogen die teuren Kleider über ihre Körper, gingen in den Saal hinaus und lächelten. Was für glitschige Scheusale bevölkerten wohl ihre Erinnerung? Sie hatten dünne Haut, komische dünne Arme. Wie können sie lächeln?
    So einem zerbrechlichen Geschöpf den Hof machen – so einem reinen Wesen ... Ich wusste nicht, wie ich es anstellen sollte. Zuerst lud ich Karina in Konzerte ein. Zum Beispiel gingen wir zu den englischen Punkrockern The Exploited. Wie man weiß, endete das Konzert in einem Blutbad. Direkt im Saal griffen Soldaten der OMON-Einheit in Helmen und Panzerwesten die Menge der Punks an. Wer hinfiel, wurde sofort getreten und mit Gummiknüppeln gezielt auf den Kopf geschlagen.
    »Was machen sie?! Das sind doch Menschen!«
    In ihren Augen standen schöne Tränen. Ich wunderte mich – wunderte und freute mich. Gewöhnlich haben solche feinen, gepflegten Mädchen kein Mitleid mit betrunkenem, hahnenkammverziertem Abschaum. Was machte es schon, dass sie Model war? Wir könnten ein Paar sein – ein sehr passables Paar. Nach dem Konzert fuhren wir zusammen mit der Gruppe in die »Fish Fabrique«. Die Engländer drehten ihre geschorenen Schädel und klirrten mit ihren Nasenkettchen. Nachdem ich ein paar Glas getrunken hatte, fragte ich Karina, ob sie mich heiraten würde.
    »Dich? Du bist verrückt!«
    »Du willst nicht?«
    »Warum denn ausgerechnet dich? Du trinkst ohne Ende. Du hast kein Geld.«
    »Wieso ›ohne Ende‹? Findest du denn wirklich überhaupt nichts gut an mir?«
    »Was meinst du denn selber?«
    Ich überlegte. Ich überlegte wirklich.
    »Manchmal – wenn ich allein zu Hause bin – höre ich Radio – und tanze – weißt du, vor dem Spiegel – als wäre ich ein Sänger – da bin ich – das ist gar nicht so schlecht.«
    Sie brach in lautes Lachen aus: »Ist das alles?!«
    Ich dachte ständig an sie. Obwohl es vorkam, dass ich mich betrank und mit anderen Mädchen schlief. Sie kamen mir hässlich und schlecht riechend vor. Ich gebe zu, ich war ungerecht. Ich berührte ihre Körper, kniff die Augen zusammen und sah immer ein und dasselbe Bild. Die Tür wird aufgerissen – ein bärtiger Kerl in Schwarz starrt in ein erschrockenes Kindergesicht –

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