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Machos weinen nicht

Machos weinen nicht

Titel: Machos weinen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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spät in der Nacht, in der Wohnung von Andrej Morosow, mixte ich das Fensterputzmittel »Ldinka« mit Bier und trank das Gemisch. Die Welt weigerte sich hartnäckig zu verschwinden – Abschaum! Wie ich auf die Treppe bei Karina kam, weiß ich nicht mehr. In der rechten Hand pulsierte der Schmerz. Das Gespräch verlief zyklisch.
    »Hast du mit ihnen geschlafen?«
    »Du bist betrunken. Verschwinde.«
    »Hast du oder hast du nicht?«
    »Was macht das aus!«
    »Ich hab alles gesehen! Ja oder nein?!«
    »Was hast du gesehen?«
    »Wie konntest du?! Ja oder nein?!«
    »Verschwinde!«
    Ich schlug erneut mit der Faust an die Zementmauer. Die äußere Seite der Faust erinnerte an ein Kissen. Zwischendurch gingen Karinas Nachbarn vorbei. Ich war so betrunken, dass sich mein Gesicht beim Versuch, zu ihnen hochzublicken, vor Schmerz verzerrte. Dann war ich plötzlich wieder zu Hause: schaute aus dem Fenster und versuchte zu rauchen. Die Asche schnippte ich auf einen schmutzigen Teller. Hatte ich vorher noch was gegessen?
    Ich sperrte mich im Badezimmer ein und setzte mich in die Wanne. Im durchsichtigen Wasser kam mein Bauch mir schwammig und dick vor. Grau schimmerte das gekrümmte Glied. Eine Zeit lang sägte ich mit einer stumpfen Rasierklinge an meinem Handgelenk herum. Kleine Blutpreiselbeeren traten aus der Haut. Ganz kleine. Ich spuckte aus und griff nach einem Messer. Das ging leichter. Manchmal klopfte jemand an die Tür. Das Wasser rauschte, ich konnte nicht hören, wer es war.
    Serjoga Kastalski, ein Moskauer Rock-Freak, erzählte, dass die Notärzte gewöhnlich eine List anwenden. Ins Bad kommt so ein ganz alter, kleiner Doktor und sagt, Idioten von deiner Sorte stehen mir bis hier. Wenn du sterben willst – nur zu, lass dich nicht aufhalten! Übrigens, hast du nicht was zu trinken? Du legst das Messer weg, machst einen Schritt über die Schwelle des Badezimmers, und drei Gorillas stürzen sich mit der Zwangsjacke auf dich.
    Bei mir war alles einfacher. Eine junge Ärztin hob mir die Lider an und fühlte den Puls. Sie sagte, ich solle mich nicht bewegen, man werde mich herausheben. Man zog mich an. Im Krankenwagen musste ich auf den Boden brechen. Die Ärztin streichelte mir über den Kopf und sagte, das mache nichts. Die Sanitäter trugen mich aus dem Wagen und legten mich auf eine lederne Liege. Sie war kalt.
    Ich versuchte, etwas zu erzählen, dem Tantchen in der Aufnahme etwas zu erklären. Es interessierte sie nicht. Dann saß ich in einer gefliesten Zelle. Statt einer Tür hatte sie ein aus dicken Stangen geschweißtes Gitter. An der Decke hing an einer spiraligen Schnur eine nackte Glühbirne. Außer mir lag in der Zelle noch ein unrasierter Mann. Ich versuchte, mich mit ihm zu unterhalten. Er ächzte und schmatzte mit den Lippen. Bevor man den Mann aus der Schlinge geholt hatte, hatte er es noch geschafft, sich einen Muskel links am Hals zu zerreißen.
    Ich stand auf und begann am Gitter zu rütteln.
    »Worauf warte ich hier?«
    »Morgen kommt der Psychiater. Sie müssen ihm vorgeführt werden.«
    »Morgen, um wie viel Uhr?«
    »So gegen elf. Vielleicht etwas später.«
    »Und wie spät ist es jetzt?«
    »Halb sechs.«
    Mein Nachbar war blau angelaufen und rollte die Augen. Ich versuchte zu schlafen. Vor den geschlossenen Augen drehte sich alles. Mir war speiübel. Ich setzte mich auf den Fußboden und holte meine Zigaretten aus der Jacke. Entdeckte plötzlich, dass mein linker Arm bis zum Ellbogen mit einem schneeweißen Verband umwickelt war. Nur die Fingerspitzen streckten ihre neugierigen Frätzchen nach draußen.
    Ich rief erneut nach der Tante aus der Registratur und bat um Wasser. Als die Frau den Schlüssel in dem schweren Schloss drehte, schubste ich sie beiseite und rannte zum Ausgang. Mit dem Fuß stieß ich die Tür auf und fand mich in einem dunklen Hof wieder. Aus dem Schnee taute Hundekacke heraus. Niemand machte Anstalten, mich wieder einzufangen. Ich lehnte mich mit dem Rücken an die Mauer. Rutschte in die Hocke hinunter. Begann zu weinen. DAS DARF NICHT SEIN!
    Karina kam früh am Morgen. Ich wachte von ihrem Klingeln auf. Die Wohnung war leer. Lust zu schlafen hatte ich überhaupt nicht. Lust aufzuspringen und schnellstens wegzulaufen, das ja. Karina war ungeschminkt und böse. Sie setzte sich auf einen Stuhl in der Diele und starrte mir auf den Bauch.
    Wir schwiegen.
    »Zeig dich mal, mein Hübscher.«
    Ich streckte ihr den rechten Arm mit der Innenseite nach oben entgegen. Über Nacht

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