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Machos weinen nicht

Machos weinen nicht

Titel: Machos weinen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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sie aber auf jeden Fall zu etwas Japanischem einladen, und zum Jahrestag ihrer Freundschaft holte er sich aus der Bücherei ein Kochbuch, kaufte in einem Geschäft für exotische Delikatessen hinter dem Moskauer Bahnhof Lebensmittel ein und bereitete selbst einen ganzen Tisch voller japanischer Gerichte zu. Er kaufte Blumen und Sekt, und als das Mädchen ins Zimmer kam, brannten auf dem Tisch schon Kerzen und duftende Räucherstäbchen. Am Abend sagte sie, wo jetzt alles so prima liefe, da sollte er heute auch, hol‘s der Teufel, seinen geliebten oralen Sex haben ...
    Die chinesischen Restaurants klapperten sie alle ab. Zum ersten Mal probierten sie die chinesische Küche in Helsinki. Das Restaurant gehörte finnischen Chinesen, diese Kombination gefiel ihnen. Im »Tian-An« am Moskowski-Prospekt aßen sie Ho Go, das Lieblingsgericht der mandschurischen Kaiser. Ho Go sind millimeterdünn geschnittene rohe Fleischstreifen. Vor jeden Gast wird ein Kesselchen mit kochend heißem Wasser gestellt, in das man nach eigenem Geschmack Zutaten und Gewürze gibt. Dann tunkt man das Fleisch in die Bouillon, bis es gar ist, und isst es sofort. Zum Ho Go tranken sie chinesischen Reisschnaps. Ihr Freund Mischa war mit ihnen ins Restaurant gegangen. Er amüsierte sich damit, die Kellner dazu zu bringen, mit ihm auf Mao Tse-tung und den weltweiten Sieg der Kulturrevolution zu trinken.
    Mischa war seinerzeit katholischer Mönch gewesen und hatte in Polen in einem Franziskanerkloster gelebt, wo er sich darauf vorbereitet hatte, nach Sibirien zu gehen. Aber dann trat er aus dem Orden aus, saß arbeitslos herum und trank viel. Ein anderer Bekannter, auch ein Franziskaner, verließ das Kloster noch vor Mischa, heiratete und hatte jetzt bereits zwei Kinder. Um seine Familie zu ernähren, war er tagsüber als Werbeagent unterwegs und arbeitete abends als Barkeeper im Club »Domenicos«. Das Wichtigste bei einer Geschichte ist eben nicht ihr Anfang, sondern ihr Ende.
    Fast sofort nach ihrem zweiten Neujahr lud man ihn ein, zu einem Touristenzentrum in ein Dorf mit dem verspielten Namen Schapki, »Mützchen«, zu fahren. Das war die Zeit, als er nicht wusste, was er sich noch ausdenken sollte, damit das Mädchen niemals wegginge. Als er jeden Abend nur eins wollte: sie bis zur Bewusstlosigkeit abfüllen, nach Hause fahren, sie neben sich legen, sich mit dem ganzen Körper an sie schmiegen, ihre Haut berühren. Eingeladen hatte ihn ein Kollege. Er versicherte, in Schapki gebe es finnische Schlitten, eine Sauna, Tanz die ganze Nacht hindurch und eine Bar mit ganz billigem Alkohol. Sie fuhren zu viert: Der Kollege nahm noch seine Frau mit. Billigen Alkohol gab es an der Bar des Zentrums genauso wenig wie teuren. Den Wodka mussten sie im Dorfladen kaufen. Er war in hohe, schmale Weinflaschen der Sorte »Nostalgie« abgefüllt, mit lauter gleich aussehenden schwarzen Etiketten. Auf einigen stand »Moskowskaja«, auf anderen »Stolitschnaja«.
    Nach dem ersten Schluck von dem nach Azeton riechenden »Stolitschnaja« schlief der Kollege ein, wachte aber um drei Uhr nachts wieder auf, verprügelte seine Frau und lief los, um sich eine weitere Portion Alkohol zu holen. Sechs Kilometer, immer in dieselbe Richtung, durch den nächtlichen Winterwald. Am Morgen kam der Kollege zur Tür hereingeplatzt und sagte, nachdem er seine ungehorsamen Augen unter Kontrolle bekommen hatte, er habe, während sie schliefen, alles geregelt. Zusammen mit den Kolchosbauern von Schapki würden sie in die Banja gehen. Die Kolchosbauern seien prima Kumpel, fünf wären es, er hätte heute Nacht mit ihnen getrunken, und jetzt würden sie sich alle gemeinsam waschen, nackt – so sei es lustiger ...
    Und trotzdem war der junge Mann froh. Er fuhr sie im finnischen Schlitten spazieren. Auf einem schiefen, abblätternden Tisch spielten sie Tischtennis. Nachts gingen sie im Wald spazieren und hatten Sex bei Mondschein, im Schnee. Als sie sich anzog, fragte sie, ob er nicht verdächtige Geräusche gehört habe. Ihr schien, als streiften nicht weit entfernt böse graue Wölfe umher. Im Zimmer neben ihnen gab es ein Radio, und in der Nacht hörten sie durch die Wand einen ganz passablen Sender. Das einzige Problem war das schlechte Essen im Kurhaus. Als sie drei Tage später müde und nach Tannennadeln riechend zurück in die Stadt fuhren, fragte das Mädchen, ob er keine Idee habe, wo sie etwas essen könnten. Ihm fiel ein, dass heute das chinesische Neujahr gefeiert wurde, und

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