Machos weinen nicht
meinem Kopf, hing ein Monitor. Auf dem Bildschirm war der tiefblaue Golf von Bengalen zu sehen, angefressen von der spitzen Halbinsel Hindustan. Die Halbinsel wirkte etwas kariös. Unser Fliegerchen kroch diagonal in den rechten unteren Winkel.
Papauskas streckte seine Nase unter der stacheligen Lufthansa-Decke hervor. Gähnte, verzog das Gesicht, drehte den Kopf in meine Richtung.
»Wo sind wir?«
»Weiß der Geier. Irgendwo.«
»Wie spät ist es?«
»Moskauer Zeit?«
»Ich meine, wann landen wir?«
»Frag die Stewardess.«
Er rieb sich die Augen und verkroch sich wieder unter seiner Decke. Die Stewardessen schoben sich durch die Gänge und verteilten Tabletts mit dem Frühstück. Es roch nach Kaffee und Apfeltörtchen.
»Frühstück, Sir?«
»Nein. Bier.«
»Bier, Sir?«
»Ja. Bier.«
»Alkoholfreies?«
»Alkoholisches. Möglichst kalt. Drei Flaschen.«
»Drei, Sir?«
»O mein Gott! Ja! Drei Flaschen Bier! Frühstück brauche ich keins!«
Die Stewardess zog ein schiefes Gesicht und schwebte weiter. Sie hatte einen runden, in Grau gezwängten Hintern.
Ich beugte mich über den Gang.
»Holt uns in diesem Lumpur irgendwer ab?«
»Keine Ahnung.«
»Ich habe weniger als zweihundert Dollar bei mir.«
»Mach dich nicht verrückt. Im Notfall übernachten wir bei den Freunden des Lama. Er hat Freunde auf der ganzen Welt.«
»Sogar in Malaysia?«
»Ich war mit ihm schon mehrmals auf solchen Treffs. Wohin er auch kommt – überall sind Freunde.«
»Scheiße! Bringt diese Vogelscheuche mir noch mal irgendwann mein Bier?!«
Der Boden unter den Füßen schwankte leicht. Ich stakste zur Küche und sagte, ich sei es leid zu warten.
»Bitte. Hier ist Ihr Bier. Entschuldigen Sie.«
»Ich sagte, DREI Flaschen!«
»Warum drei?«
»Darum!«
Ich schnappte mir die Flaschen vom Tisch und kehrte zu meinem Sitz zurück.
»Willst du ein Heineken?«
»Nein.«
»Hier. Ist kalt.«
»Am frühen Morgen?«
Der heiße Nachbar rechts kaute sein Frühstück zu Ende und blätterte mit kluger Miene in einer Zeitung in der Sprache Urdu. Ich setzte meine Kopfhörer auf und suchte nach etwas Fröhlichem. Papauskas verschwand, um sich zu rasieren. Als er zurückkam, sagte er, in der Toilette hingen drei Sorten Toilettenpapier.
»Schreibst du in deiner Zeitung über Religion?«
»Wie kommst du darauf!«
»Und warum hat man dann ausgerechnet dich auf den Kongress geschickt?«
»Die Reise wird von irgendeinem Fond bezahlt. Der Redakteur wollte selber fahren, konnte aber nicht.«
»Prima, dass der Kongress an einem solchen Ort stattfindet. Wir werden in der Sonne liegen. Wir werden baden.«
»Malaysia – ist das ein buddhistisches Land?«
»Islamisch.«
»Das heißt, mit Alkohol gibt‘s dort Probleme ...«
»Ist das schlimm?«
»Aber nein. Im Gegenteil. Das ist gut. Ist doch prima, in ein Land zu kommen, wo es ein Problem ist, sich Alkohol zu verschaffen.«
Ich trank mein letztes Bier aus.
»Dürfen denn Buddhisten Alkohol trinken?«
»Unterschiedlich. Es gibt solche tantrischen Schulen ...«
»Trinkt dein Lama?«
»Wenig. Drei Bier am Abend. Und auch das nicht jede Woche. Verstehst du, bei Buddhisten kann das jeder selbst entscheiden. Es gibt keinerlei Zwang.«
»Wäre noch Bier da, würde ich auf den Buddhismus trinken.« Ich holte mir doch noch eine Flasche Heineken. Dann gingen wir in den Sinkflug. In Moskau war es zwei Uhr mittags, aber draußen wurde es schon dunkel. Die Stewardessen verteilten die Formulare für die Zollerklärungen. Mit fetten schwarzen Buchstaben stand dort geschrieben, dass die Einfuhr von drogenhaltigen Substanzen in die Republik mit dem Tode bestraft würde.
Das Flugzeug vibrierte leicht. Als die Lichter des Flughafens auftauchten, wurde die Beleuchtung im Innern gelöscht. Die Passagiere klebten an den Bullaugen. Als das Fahrwerk den Boden berührte, klatschten alle lange in die Hände und johlten. »Meine Damen und Herren! Unser Flugzeug ist auf dem internationalen Flughafen Subang gelandet. Die Temperatur an Land beträgt 105° Fahrenheit. Die Lufthansa dankt Ihnen für ...«
»Hundertfünf, ist das viel?«
»Tja, was soll ich sagen? Mehr als hundertvier. Gehen wir?«
»Und der Lama?«
»Hat gesagt, wir sollen hinter der Zollkontrolle auf ihn warten.«
Zur Tür der Boeing wurde eine gerippte Röhre gefahren, durch die alle direkt ins Innere des Flughafens schritten. Der dritte internationale Flughafen in vierundzwanzig Stunden. In diesem hing an der Wand gegenüber dem
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