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Mach's falsch, und du machst es richtig

Mach's falsch, und du machst es richtig

Titel: Mach's falsch, und du machst es richtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ankowitsch
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anders aus. Im harmlosesten Fall legt das angesprochene Kind eine gewisse Indifferenz an den Tag und entwickelt keinerlei Ambitionen, sein unterstelltes Großsein beweisen zu wollen. Erfahrene Eltern geben daher auch gerne den Tip, es mit folgendem Satz zu versuchen: «Ach, du schaffst es sicher nicht, dein Zimmer in weniger als fünf Minuten aufzuräumen – dazu bist du viel zu klein!» Was oft dazu führt, daß die Kinder in hektische Betriebsamkeit verfallen: das Zimmer aufräumen, sich anziehen oder beim Bäcker die Sonntagsbrötchen holen. Näher betrachtet ist die kindliche Reaktion widersinnig, denn die Feststellung, sie seien zu klein für die erwähnte Aufgabe, würde den Kindern die wunderbare Chance eröffnen, nichts zu tun. Sie müßten nur die Steilvorlage der Eltern nutzen und sagen: «Ihr habt recht, schaffe ich nicht. Bin total doof!» Sie tun aber das genaue Gegenteil. Wer nun einwendet, das sei im wahrsten Sinne des Wortes Kinderkram, der sollte mit erfahrenen Psychologen sprechen. Erwachsene, so deren übereinstimmende Auskunft, könnten mit aufmunternden Worten ebensowenig anfangen wie Kinder. Erst durch die Bemerkung, sie seien doch sicher nicht dazu in der Lage, etwa mit dem Lebensgefährten über eine sehr wichtige Frage zu sprechen, könne man sie in Bewegung setzen. Die Reaktion: Anstatt zum wiederholten Male zu erklären, warum so ein Gespräch nicht möglich sei und welche Ängste oder Widrigkeiten dem entgegenstünden, antworten überraschend viele: «Na, so schwierig ist das auch wieder nicht!»

Wer unsere Selbstgewißheit stört, bestimmt gleichzeitig, mit welchen Mitteln wir sie wiederherzustellen versuchen. Wie stark wir auf unsere Umgebung reagieren, zeigt ein Blick in eine beliebige Fußgängerzone.
    Womit wir auf unserer kleinen Expedition zur Klärung der Frage, warum wir auf eine Störung oft mit dem Gegenteil des Geplanten reagieren, einen weiteren Schritt vorangekommen wären. Denn unser Ich unterliegt derselben Dynamik wie unser Körper. Wird es gestört, dann besteht sein Ziel darin, diese Störung zu beseitigen und wieder in den Zustand der Ruhe zu gelangen. Ein konkretes Mittel, wie das zu erreichen sei, beschreibt diese Dynamik nicht. Liegt es also allein an uns, dieses Mittel zu finden? Darauf gibt es eine Antwort, die erst einmal ein wenig unbefriedigend klingt, denn sie lautet: ja und nein. Wollen wir sie für den Moment ein wenig konkreter verstehen, sollten wir uns in ein Straßencafé setzen und den Passanten zusehen. Die können uns darauf nämlich eine Antwort geben, ohne daß sie davon wissen.
    Wie selbständig wir denken und agieren, hängt nicht nur davon ab, wie klug wir sind und wie gut wir in der Lage sind, auf andere einzuwirken. Ebenso wichtig ist der Einfluß, den andere auf uns ausüben, in welcher konkreten Gesellschaft wir uns also gerade befinden. Wir haben nämlich den ebenso starken wie unbewußten Hang, uns mit den anderen zu synchronisieren, uns an sie anzupassen. Und zwar in vielerlei Hinsicht. Wie weit das führen kann und wie mächtig diese Eigenart ist, hat der bereits erwähnte Physiker und Mathematiker Dirk Helbing erforscht, der an der ETH Zürich Soziologie lehrt. Neben vielen anderen Themen, wie dem Verhalten von Verkehrsteilnehmern und der Entstehung von Massenpaniken, beschäftigt sich Helbing seit den 1990 er Jahren mit dem Verhalten von Fußgängern. Jahrelang war der Wissenschaft entgangen, welch ein Wunderwerk der Selbstorganisation sich in jeder Fußgängerzone entfaltet, weil es bei normaler Betrachtung nicht weiter auffällt. Bis Helbing die Idee hatte, Passanten zu filmen und die Aufnahmen deutlich rascher abzuspielen als gewohnt. Und siehe da! Plötzlich offenbarte sich dem Beobachter, wie klug und umsichtig wir Menschen im Normalfall aufeinander reagieren, zu welcher Form kollektiver Intelligenz wir fähig sind, wenn wir uns durch eine Fußgängerzone bewegen. Wir bilden nämlich Bahnen einheitlicher Gehrichtungen: Die einen spazieren auf der einen, die anderen auf der anderen Seite – wobei nicht immer mit letzter Sicherheit zu sagen ist, welche Bahn sich links und welche rechts bilden wird; aber daß sich welche bilden, ist sicher. Der tiefere Sinn unseres Verhaltens: Wir alle wollen schneller vorankommen und dabei möglichst wenig Energie verbrauchen. Ein Ziel, das wir nur erreichen können, wenn wir genau das Gegenteil dessen machen, was der Zeitgeist von uns verlangt (nämlich Individualisten zu spielen) – und Teil

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