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Mach's falsch, und du machst es richtig

Mach's falsch, und du machst es richtig

Titel: Mach's falsch, und du machst es richtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ankowitsch
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Studenten Zimmer suchen, von denen man einzelne Streifen mit einer Telefonnummer abreißen kann. Die Aufschrift lautete: «Ich bin so schlecht im Bett, das mußt Du mal erlebt haben!»

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    2 . Kapitel Verführerische Störungen
    Wie es kommt, daß uns das Schild «Frisch gestrichen!» dazu verführt, mit dem Finger dranzugehen; wie wir die Beziehungen unserer Freunde kitten, indem wir ihnen erklären, daß sie mit den größten Versagern der Welt liiert sind; und warum uns ein kleines Wörtchen wie «noch» die Welt mit völlig neuen Augen sehen läßt.
    Ereignisse müssen nicht groß und spektakulär sein, um uns ins Grübeln zu bringen. Manchmal genügt bereits eine simple SMS , die aus genau dreizehn Zeichen besteht. Wie zum Beispiel die folgende: «Handy hin. Lg F.» Diese Kurznachricht erreichte mich am 18 . März 2010 um 14 : 33 Uhr. Sie stammte von einem Wiener Freund, der mir auf diesem Weg mitteilen wollte, sein Handy sei «hin», wie wir Österreicher gerne sagen, also «kaputt». Es sei daher sinnlos, so seine implizite Botschaft, ihn wie ursprünglich vereinbart anzurufen. All das wäre weiter nicht erwähnenswert, hätte mich diese Nachricht nicht dazu gebracht, Freund F. auf seinem Handy anzurufen – und zwar unmittelbar nachdem ich seine SMS gelesen hatte. Erst dachte ich mir nichts dabei, aber je länger es ins Leere klingelte, desto stärker kam ich ins Grübeln. Warum hatte ich auf die unmißverständliche Information, sein Handy sei kaputt, nichts Besseres zu tun gehabt, als ihn auf ebendiesem kaputten Handy anzurufen? Und warum war das Lesen der Nachricht und der Entschluß, ihn anzurufen, praktisch im selben Moment erfolgt – ganz so, wie man nicht lange überlegt, ob man ein zu Boden fallendes Glas auffangen soll oder nicht, sondern reflexartig nach ihm greift? War meine Reaktion in diesem Fall nicht vollkommen widersinnig, weil sie im diametralen Gegensatz zum Kern der Aussage stand? Und doch erschien sie mir auf eine eigenartige Weise auch wieder logisch. Schuld daran war jener Gedanke, der mir während des Versuchs, meinen Freund zu erreichen, unausgesprochen durch den Kopf gegangen war: «Das kann doch nicht sein! Mal schauen, ob sein Handy wirklich kaputt ist!» Nach langem Klingeln hob mein Freud dann tatsächlich ab; er war kaum zu verstehen, da die Verbindung krachte und rauschte. Das einzige, was ich mitbekam, war sein gebrüllter Hinweis, sein Handy sei hin und warum ich ihn denn anriefe, er habe mir doch gesimst.
    Um vor mir selbst nicht allzu dumm dazustehen, machte ich mich auf die Suche nach Situationen, in denen auch andere in dieser Weise reagierten. Ich wurde schnell fündig – und zwar in einer U-Bahn-Station. Dort waren zwei Männer in weißen Overalls gerade damit beschäftigt, zwei Fahrkartenautomaten zu streichen, die mit obszönen Sprüchen beschmiert worden waren. Während ich auf den nächsten Zug wartete, starrte ich den Bahnsteig hinunter und beobachtete, ohne mir dessen anfangs bewußt zu sein, einen der bereits übermalten Automaten. Auf ihm hing ein großes Schild: «Frisch gestrichen!» Und was taten die Menschen, die an ihm vorbeiwollten? Hielten sie sich in sicherem Abstand? Ganz im Gegenteil: Immer wieder näherte sich jemand dem lackglänzenden Apparat und prüfte mit der Fingerspitze, ob er sich tatsächlich in jenem Zustand befand, wie auf dem Schild behauptet. Weil ich wissen wollte, wie häufig das vorkam, fragte ich die Männer in den Overalls. «Sie brauchen nur irgendwo so ein Schild hinzuhängen, und schon geht jeder zweite mit dem Finger dran», sagten sie. Und murmelten dann noch: «Lauter Idioten.» Erleichtert bestieg ich die Bahn. Ich war zwar ebenfalls einer dieser «Idioten», aber ich war einer von vielen – und das macht bekanntlich selbst das eigenartigste Schicksal ein wenig erträglicher.
    Das nächste Beispiel für das Phänomen lieferte mir eine kleine pädagogische Fachsimpelei: Wie kann man Kinder dazu bringen, daß sie tun, was sie unserer Meinung nach tun sollen? Klassischerweise bemühen sich Eltern, ihre Kinder zu motivieren, indem sie ihnen gut zureden. «Das schaffst du sicher», sagen sie, «dein Zimmer aufzuräumen, du bist ja schon ein Großer!» Irgendwie scheinen sie zu hoffen, die Kleinen würden sofort aufspringen und freudig rufen: «Du hast vollkommen recht, Erziehungsberechtigter, ich bin schon ein Großer, also schaffe ich das auch! Und zwar gleich!» Die Wirklichkeit sieht bekanntlich

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