Mach's falsch, und du machst es richtig
also, die Sache anschaulicher zu machen. Als die
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
Ende 2010 den amerikanischen Schauspieler Jeff Bridges zum Interview traf [78] , kam die Autorin des Textes naheliegenderweise auf den Oscar zu sprechen, den Bridges im März desselben Jahres erhalten hatte. «Heute», schrieb sie daraufhin, «mit 61 , ist er auf dem Höhepunkt seines Könnens, gefragt, bedeutender als jemals zuvor.» Beste Voraussetzungen also, in vielen Regisseuren, Drehbuchautoren, Studiobesitzern und Filmfondsinvestoren heftige Begehrlichkeiten zu wecken. Bridges ist ein wunderbarer Schauspieler, ein toller Photograph, ein sozial gesinnter Mann, ein Original. Mit einem Wort: eine sehr knappe «human resource», wie das in der kalten Sprache der Wirtschaftswissenschaft heißt. Und was knapp ist, ist wertvoll. Also bekommt Bridges nach eigenen Angaben jede Menge Angebote. Die lehne er aber alle ab, seit seine Frau ausgerechnet habe, daß sie beide im Vorjahr wegen seines Jobs ganze elf Monate voneinander getrennt gewesen seien. Doch seine ablehnende Haltung kann die Filmleute nicht nur
nicht
davon abhalten, ihm weitere Angebote zu machen, sie provoziere sogar das gerade Gegenteil. Wie Bridges sagt: «Je öfter ich nein sage, desto mehr großartige Rollen bieten sie mir an.»
Die Sache gleicht vielen (einseitigen) Liebesbeziehungen: Nachdem der eine dem anderen zu verstehen gegeben hat, daß er ihn nicht (mehr) liebt, versucht der andere nur noch verbissener, ihn (zurück) zu erobern. Wen auch sonst? Der andere war es, der das Ich des Begehrenden so nachhaltig gestört hat. Also braucht es eine Person desselben spezifischen Gewichts, es wieder zur Ruhe zu bringen. Und diese Person gibt es nur einmal. So kann auch nur Jeff Bridges die Kränkung wieder ausgleichen, die Jeff Bridges den Ichs der Filmleute zugefügt hat.
Eine etwas komplexere Variante des beschriebenen Phänomens können wir in dem Film «Leg dich nicht mit Zohan an!» beobachten. In der Komödie kommt ein Elektronikladen vor, dessen Fassade von einem riesigen Transparent dominiert wird, auf dem «Going Out Of Business» steht, «Wir schließen bald». Als die Hauptfigur Zohan, gespielt vom Komiker Adam Sandler, den Laden betritt, fragt er dessen Besitzer daher auch: «So you are going out of business?» («Ihr wollt also schließen?») – worauf er zur Antwort erhält: «No, no, it’s just a say. Just good for business!» («Nein, das steht da nur – ist gut fürs Geschäft!») Und die Drohung, bald zu schließen, ist tatsächlich eine wirkungsvolle Marketingstrategie, bringt sie doch all jene, die die Botschaft lesen, aus der Ruhe – ein wenig zumindest. Geschäfte sind meist so konstruiert, daß sie den Kunden zu verstehen geben: «Wir sind ständig und ohne Einschränkungen für dich da. Deine Wünsche und deine Bedürfnisse, oh Kunde, sind uns Befehl. Du bist es, der die Regeln bestimmt.» Sobald aber ein Transparent wie das erwähnte über dem Eingang hängt, kehren sich die Kräfteverhältnisse um. Nunmehr ist es der Inhaber des Geschäfts, der die Regeln diktiert. Und diese lauten: «Uns gibt es nicht mehr lange. Jeder, der etwas von uns will, muß sich daher beeilen. Und weil wir dir, oh Kunde, verschweigen, wann genau wir zumachen, kann es jederzeit passieren, daß du vor verschlossenen Türen stehst.» Die zweite Botschaft ist zwar ebenso wichtig, aber in diesem Zusammenhang zweitrangig. Sie lautet: «Die Produkte dieses Ladens sind wahrscheinlich billiger als jene, die man in Geschäften finden kann, die ihre ganze Zukunft noch vor sich haben.» Das Transparent irritiert das Ich der Passanten also gleich auf doppelte Weise, läßt ihnen jedoch nur eine Möglichkeit, wieder zur Ruhe zu kommen: den Laden zu betreten, um wenigstens zu überprüfen, ob es nicht etwas gibt, das sich zu kaufen lohnt. Wie die meisten aus eigener Erfahrung wissen, folgt darauf meist der Entschluß, tatsächlich irgend etwas in den Einkaufswagen zu legen.
Eine der Pointen des Films besteht darin, daß der Inhaber des Elektronikgeschäfts – durch einen Umzug dazu gezwungen – einen neuen Laden eröffnet und ihn gleich «Going Out Of Business» nennt. Es dürfte aber mittlerweile viele Menschen geben, die diesen Trick durchschauen. Im April letzten Jahres konnte man auf dem Berliner Kurfürstendamm einen Klamottenladen namens «More For Less» entdecken, auf dem sich ein großer Aufkleber befand. Darauf hieß es beschwörend: «Wir schließen
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