Mach's falsch, und du machst es richtig
nicht aufzuholen»), und sie entzieht sich dem Verdacht, die Sache «berufen» zu haben, wie das Schauspieler nennen, wenn man leichtfertigerweise zu ihnen sagt, die Vorstellung werde ganz wunderbar. Genützt hat es Maria Riesch in diesem Fall leider nichts – sie wurde mit einem Rückstand von exakt acht Zehnteln bloß fünfte.
Raten Sie den Menschen von den Dingen ab, die Sie ihnen verkaufen wollen: Unsere Vorstellung von einem perfekten Verkaufsgespräch orientiert sich am Bild des Gebrauchtwagenhändlers. Der stellt sich vor ein rostendes Auto und redet so lange und so eindringlich auf seine Kunden ein, bis die ihm – narkotisiert von seiner Verführungsmacht – den Wagen zu einem überhöhten Preis abkaufen. Daß es einen noch effektiveren Weg gibt, die Kunden zu überreden, etwas Bestimmtes zu kaufen, zeigt das «Handbuch» eines Rechtsanwalts, der Ärzten zeigen will, wie sie ihren Patienten alle möglichen kostenpflichtigen Zusatzmittelchen einreden können. [88] Der Hintergrund: Lange schon ernährten die bloßen Krankenkassenzahlungen die Ärzte nicht mehr ausreichend, weshalb diese gut beraten seien, sich diverse Zusatzgeschäfte zu erschließen. Doch anstatt sich die Gebrauchtwagenverkäufer als Vorbild zu nehmen, empfiehlt der Anwalt die exakt gegenteilige Strategie: «Ärzte sollten nur paradox verkaufen!» lautet sein Glaubenssatz. So sei man gut beraten, seinem Patienten erst einmal eine sogenannte IGeL anzubieten, also eine «Individuelle Gesundheitsleistung», die dieser privat bezahlen muß – um ihm dann im nächsten Schritt davon abzuraten. Ein klassisches Arztgespräch solle daher laut des erwähnten Rechtsanwalts folgenderweise verlaufen: «Lieber Patient, ich möchte Sie nur informieren. Es ist eine Selbstzahlerleistung – bitte kaufen Sie nicht! Denn die Kasse zahlt es leider nicht. Sicherlich haben Sie im Moment andere Konsumprioritäten für Urlaub, Auto, Einrichtung, als dass Sie sich für eine selbstzuzahlende Gesundheitsleistung entscheiden wollen. Sie sind nun informiert über diesen Preis, den Sie selbst zahlen müssen. Im Zweifel – bitte kaufen Sie nicht!» [89] Was nach einem freundlichen Ratschlag klingt, ziele in Wirklichkeit jedoch aufs genaue Gegenteil, können wir in dem Wirtschaftsmagazin
brand eins
lesen: Der Arzt rate ab, «aus dem Kalkül, dass der Patient bei so viel ‹Ehrlichkeit› Zutrauen zu dem Arzt fasse und am Ende zustimme. Eine Scheinberatung, da sie Neutralität vorgaukelt, obwohl nur Kalkül dahintersteht.» [90] Wenn Ihnen also demnächst jemand freundlich die Hand auf den Unterarm legt und Ihnen dringend davon abrät, etwas Bestimmtes zu kaufen – glauben Sie ihm ganz einfach. Und wenn Sie es sind, der jemandem etwas verkaufen will, dann legen Sie ihm freundlich die Hand auf den Unterarm und – lassen Sie es bleiben, ihn durch so einen fiesen Trick betrügen zu wollen. Es paßt nicht zu Ihnen.
Achten Sie auf kleinste sprachliche Details: Denn sie sind von größter (paradoxer) Bedeutung. Um sich einen Begriff davon zu machen, wie bereits ein einziges Adverb eine aussichtslose Angelegenheit in ein hoffnungsvolles Projekt verwandeln kann, vergleichen Sie bitte diese beiden Sätze: «Das kannst du nicht ändern!» Und: «Das kannst du
noch nicht
ändern!» Während wir uns im ersten Fall in einer fatalen Lage sehen und es so wirkt, als müßten wir dieses «das» akzeptieren, weil sich alles gegen uns verschworen hat, formuliert der zweite Satz einen vollkommen anderen Tatbestand. Es mag ja sein, bedeutet er uns, daß wir im Moment keine Chance haben, etwas zu tun – aber das wird nicht so bleiben, irgendwann sind wir dazu in der Lage. Der Sprecher stellt uns also gleich zwei wunderbare Dinge in Aussicht: daß sich etwas verändern wird und daß er uns zutraut, diese Änderung aus eigener Kraft herbeizuführen. Na, wenn das keine freundliche Sicht der Dinge ist? Und wenn das keine positive Dynamik entwickeln muß? Auch diese Intervention gehört zur großen Gruppe der paradoxen Tricks. Es finden sich in der einschlägigen Literatur eine Reihe von Vorschlägen für solche «noch nicht»-Formulierungen, die im Kern höchst effektive Neuetikettierungstricks sind. Wir kleben auf den bekannten Tatbestand, daß etwas nicht klappt, einfach ein neues Label – und zwar nicht aus Willkür, sondern weil sich unsere Situation
höchstwahrscheinlich
ändern wird, wenn wir aufhören, sie zu verteidigen; Simon hat, wie wir weiter oben gesehen haben, darauf
Weitere Kostenlose Bücher