Mach's falsch, und du machst es richtig
hingewiesen, daß sich alles verändern muß, «es sei denn, irgendwer oder -was sorgt dafür, daß es bleibt, wie es ist».
So listet zum Beispiel der Psychologe Manfred Prior in seinem lesenswerten Büchlein [91] eine Reihe solcher Etiketten auf: Probleme seien «noch nicht gefundene Lösungen», Blockaden «noch nicht gefundene Wege», und schlechte Eigenschaften «noch nicht verändert zu guten Gewohnheiten». Der Therapeut Gerald R. Weeks [92] wiederum nennt viele Beispiele für diese «Umetikettierungen», die «dem Klienten neue Möglichkeiten eröffnen» sollen, «indem sie seiner bisherigen Haltung deutlich widersprechen». So macht er aus
umherirren → alle vorhandenen Möglichkeiten erforschen,
passiv sein → die Fähigkeit, Dinge so zu akzeptieren, wie sie sind,
gefühllos sein → sich vor Verletzungen schützen und
auf Distanz gehen → sich um sich selbst kümmern.
Eine besonders schöne Formulierung hat der Arzt und Psychotherapeut Gunther Schmidt gefunden, der den Umstand, daß wir bestimmte Fehler immer wieder machen, als «Ehrenrunden» bezeichnet hat. Sie zu machen sei «manchmal wichtig, um sich nicht zu schnell zu verändern, denn für eine Veränderung ist auch der richtige Zeitpunkt wichtig», wie Matthias Varga von Kibéd und Insa Sparrer schreiben. [93]
Kurze Nachbemerkung: Bitte bedenken Sie, daß Sie Ihrem Gegenüber bei all diesen Strategien ein Hintertürchen offenhalten. Es muß nicht zwangsläufig so kommen, daß der andere auf die Störung seines Ichs in der prognostizierten Weise reagiert. Also auf die Behauptung, jeden dritten Tag eine halbe Stunde zu joggen sei nicht machbar, antwortet: «Wieso denn nicht? Das müßte ich doch hinbekommen!» Sondern Ihnen vielmehr beipflichtet: «Du hast vollkommen recht! Schaffe ich derzeit nicht.» Aber dieses Hintertürchen ist auch das charmante an der beschriebenen Form, sich selbst oder andere auf eine Lösung hinzuweisen. Suchen Sie hingegen nach Sätzen, die Ihrem Gegenüber deutlich weniger Chancen lassen, dann verweise ich auf das Kapitel «Paradoxe Verhältnisse». Dort beschreibe ich Mechanismen, aus denen es kein Entrinnen gibt.
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3 . Kapitel Doppelte Botschaften
Warum uns abschreckende Beispiele dazu verführen, ins eigene Unglück zu rennen; wie es kommt, daß Berichte über kriminelle Machenschaften als Gebrauchsanweisungen dienen; und wann es sinnvoll ist, andere danach zu fragen, wie man uns am besten schaden kann.
Die Handlung des Films «Findet Nemo» ist schnell erzählt: Kleiner Clownfisch wird von bösem Taucher gefangen und in ein Aquarium verschleppt. Von dort versucht der orange-weiß-schwarz gestreifte Fisch zu fliehen. Das gestaltet sich recht schwierig, da sich sein Gefängnis in der Praxis eines Zahnarztes im australischen Sydney befindet. Doch Nemo ist nicht allein; ihm stehen bei seinen Fluchtversuchen andere Fische zur Seite – sie alle vereint die Sehnsucht nach dem Pazifischen Ozean, den man durch das Fenster der Zahnarztpraxis sehen kann: Da liegt sie, die Freiheit, so nah und doch so fern. Gleichzeitig versucht der Vater des kleinen Nemo, sich vom heimischen Riff in die Stadt durchzuschlagen, um seinem Sohn zu Hilfe zu eilen – und nimmt dabei ebenfalls viele Gefahren auf sich; er begegnet Haien, Anglerfischen, Quallen, U-Booten, stets begleitet von einer verrückten Reisegefährtin namens Dorie, die unter einem defekten Kurzzeitgedächtnis leidet. Angetrieben wird Nemos Vater von der Erinnerung an ein traumatisches Ereignis: Seine Frau und alle übrigen Kinder wurden von einem Barrakuda gefressen. Geblieben ist ihm nur Nemo; der ist nun nicht nur entführt worden, sondern zu allem Überfluß auch noch gehandicapt, hat er doch eine schwächere rechte Flosse. Die Geschichte geht natürlich gut aus. Nemo kommt wieder frei, und auch den übrigen Bewohnern des Aquariums gelingt die Flucht ins Meer, wenn auch offenbleibt, wie sie sich letztlich aus den kleinen Plastiktüten befreien, in denen jeder von ihnen steckt – aber das ist eine andere Geschichte.
Als «Findet Nemo» Ende Mai 2003 in die amerikanischen Kinos kam, wurde der Film ein großer Erfolg. Die Rezensenten waren angetan, die Einspielergebnisse blendend, und als der Film Ende desselben Jahres auch in Deutschland anlief, wiederholte sich das Schauspiel. So weit, so erfreulich – und so erwartbar. Denn die Macher des Films vom amerikanischen Studio Pixar hatten bereits mehrfach bewiesen, daß sie Meister ihres
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