Mach's falsch, und du machst es richtig
Projektmanagement besorgen» – «Eine kleine Runde auf der Wii spielen» – «Zuerst diesen Text zuende lesen». Anschließend tragen Sie in die mittlere Spalte ein, welcher dieser Tätigkeiten Sie bereits heute erfolgreich nachgehen oder nachgegangen sind und welche Sie erst in Angriff nehmen müssen, um das Nicht-Erreichen Ihres Ziels zu garantieren. Wie Sie das markieren, ist Ihnen überlassen; die Erfinder dieser «Flip-Flop-Technik» genannten Methode empfehlen, alle jene Dinge, die Sie bereits getan haben, mit «Ist» zu kennzeichnen, und jene, die Sie noch machen müssen, mit «Soll». Sie könnten also auch die Frage, wie Sie was nennen sollen, als Verzettelungsstrategie auf Ihre Liste aufnehmen: «Erst mal abschließend klären, wie das heißen soll, was ich da mache.»
Jetzt kommt der schwierigere Teil unserer kleinen Übung: der Sprung in die Realität. Überall dort, wo Sie ein «Ist» drangeschrieben haben, sollten Sie gleich tätig werden – und die Sache abstellen. Wo also in der linken Spalte «Alle fünf Minuten E-Mails checken» steht und in der mittleren «Ist», in die rechte Spalte schreiben: «E-Mails nur noch morgens um 9 : 00 Uhr und abends um 18 : 00 Uhr checken. Nein, auch die Chance, daß ein total spannendes Angebot reinkommt, erlaubt keine Ausnahme von dieser Regel. Wer mich wirklich will, wird warten können.» Sie müssen nicht unbedingt diesen ganzen Roman in die Spalte schreiben, aber ich habe das Gefühl, daß wir durchaus Tacheles reden sollten mit uns selber und gleich alle zweifelhaften Ausreden vorwegnehmen. Steht hingegen in einer Zeile ein «Soll», dann drehen Sie bitte die Formulierung links in ihr Gegenteil und notieren Sie sie rechts. Steht da also «Immer wieder mal eine der vielen Schubladen im Wohnzimmer ausmisten!», vermerken Sie: «Schubladen sind keine Lebewesen, die um Hilfe rufen können. Daß ich das tiefe Verlangen verspüre, sie gerade jetzt auszumisten, ist also nichts anderes als der Versuch, eine Ausrede dafür zu finden, meine Arbeit nicht zu beginnen. Schubladen werden nur einmal pro Woche ausgemistet, und zwar samstags zwischen 14 : 00 Uhr und 14 : 15 Uhr. In der übrigen Zeit steht deine Arbeit im Fokus deiner Aufmerksamkeit, und die Schubladen werden ihrem Schicksal überlassen, auch wenn sie noch so mitleiderregend stöhnen sollten.» So würde das zumindest der Autor dieses Textes hinschreiben, wenn er Zeit dafür hätte, eine Flip-Flop-Liste anzulegen. Aber leider verzettelt er sich die ganze Zeit damit, zu beschreiben, wie man das tut.
Haben Sie die rechte Spalte vollständig ausgefüllt, überblicken Sie recht genau, was zu tun wäre, wollen Sie vom nächsten Moment an alles richtig machen. Weil das aber in dieser platten Form nicht klappen kann, empfiehlt sich zweierlei: sich ( 1 .) die Punkte einzeln vorzunehmen und die einfachen Handlungsaufforderungen ( 2 .) in Negationen zu packen, weil wir bekanntlich so in der Lage sind, ihnen zu folgen. Doch halt, lassen Sie mich das richtig falsch formulieren: Sie schaffen es keinesfalls, Ihre kleine To-do-Liste anzufertigen und dann alles ins Negative zu übersetzen!
Seien Sie gezielt pessimistisch: Wer einmal im Theater gearbeitet hat, der wird sein Leben lang davon geprägt bleiben. Es gibt keinen Ort, an dem sich mehr abergläubische Menschen versammeln als an diesem. Daher sind eine lange Liste von Dingen auf der Bühne verboten, weil sie Unglück bringen: pfeifen, essen, einen Regenschirm aufspannen, unter einer Leiter durchgehen. Ebenfalls strikt verboten ist es, einander «alles Gute» zu wünschen oder den anderen vor der Premiere Mut zuzusprechen, indem man «Das wird sicher eine ganz wundervolle Vorstellung!» sagt. Statt dessen bedienen sich Schauspieler und Regisseure negativer Formulierungen wie «Wird schon schiefgehen» und «Hals- und Beinbruch». Ich erwähne diese Angewohnheit, weil erst vor diesem Hintergrund ein Satz wie der folgende verständlich wird. Als «Deutschlands Gold-Hoffnung» bei der alpinen Ski-Weltmeisterschaft 2011 , Maria Riesch, vor dem zweiten Durchgang des Slaloms gefragt wurde [87] , wie sie denn ihre Chancen einschätze, meinte sie: «Acht Zehntel sind nicht wenig, aber auch nicht überhaupt nicht aufzuholen.» Ein wunderbares Beispiel einer mehrfachen Negation, die gleich drei Funktionen auf einmal erfüllt: Sie tritt übertriebenem Optimismus entgegen («… sind nicht wenig …»), sie läßt Platz für Hoffnung («… aber auch nicht überhaupt
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