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Mach's falsch, und du machst es richtig

Mach's falsch, und du machst es richtig

Titel: Mach's falsch, und du machst es richtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ankowitsch
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Umstand, daß sich wesentliche Teile des Wenn-dann-Spiels unserem Bewußtsein entziehen oder daß Wünsche, Orte, Kontexte und Stimmungen ständig wechseln, läßt Belohnungssysteme als eine Art Wundertüte erscheinen, aus der jeder etwas anderes ziehen und in die jeder etwas anderes hineinstecken kann. Man könnte den Eindruck gewinnen, daß die Brisanz dieser Erkenntnis in direktem Gegensatz zu ihrer Bekanntheit steht. Anders ist nicht zu erklären, warum wir die eigenartigsten Entwicklungen beobachten können, die sich niemand erklären kann. Oder die uns mit dem Hinweis plausibel gemacht werden sollen, die Menschen seien eben (wahlweise) zu unintelligent, zu faul, zu verkommen oder zu unernst, um den tieferen Sinn des jeweiligen Belohnungsarrangements zu begreifen. Ungleich plausibler erscheint mir hingegen die These, daß die Menschen in vielen dieser Fälle einem Versprechen folgen, von dem niemand etwas ahnt: weil ihr Belohnungssystem unbewußt agiert und weil sie auf Anreize reagieren, die nicht klar erkennbar vorliegen, sondern bloß in Form von Andeutungen oder unverfänglichen Hinweisen (was wiederum verständlich macht, warum wir solche Schwierigkeiten damit haben, ihnen auf die Spur zu kommen).
    So können wir zum Beispiel in einer vom Wirtschaftsprüfungsunternehmen PwC herausgegebenen Studie [119] lesen, die Ursachen für «Wirtschaftsdelikte sind nicht ausschließlich bei der Täterpersönlichkeit zu suchen, sondern für einen Teil der Straftaten können sich unternehmensspezifische Faktoren begünstigend ausgewirkt haben». Dazu zählt laut PwC die Unternehmenskultur ebenso wie «ganz konkret verdeckte Anreize in Verträgen und Gratifikationsregeln, die beispielsweise Korruption und kartellwidrige Absprachen begünstigen». So kann es also geschehen, daß Unternehmen vor den kriminellen Machenschaften eigener Mitarbeiter stehen, sich fragen, wie es so weit hat kommen können – nur um sich schließlich eingestehen zu müssen, die eigenen Leute dazu motiviert zu haben. Es wäre unzulässig, die Verantwortung für solch kriminelle Akte allein dem Unternehmen und nicht auch dessen Mitarbeitern anlasten zu wollen. Es braucht in einem solchen Spiel immer einen Partner, der die Signale zu lesen und zu beherzigen weiß, die der andere – wenn auch unabsichtlich – ausgesandt hat.
    Doch nicht nur die kriminellen Neigungen mancher Angestellter lassen sich auf diese Weise besser verstehen. Auch die Frage, warum wir in unserem Leben oft so beharrlich an Verhaltensweisen festhalten, die uns nerven, schaden, behindern oder gar ernsthaft gefährden, läßt sich mit dem Hinweis auf dieses Phänomen beantworten. Denn obwohl wir unter unseren Problemen leiden, ziehen wir aus ihnen meist einen «verdeckten Gewinn», wie das die Autoren des Buchs «Basics der Systemischen Strukturaufstellungen» [120] nennen. Erst solch ein Gewinn sorge dafür, daß wir uns darum bemühen, das entsprechende Problem aufrechtzuerhalten – ganz im Sinne unseres Belohnungssystems, das uns sowohl für gute Erfahrungen honoriert wie für die Aussicht darauf. Probleme hingegen, die uns nichts bescheren außer Probleme, fallen unserer inneren Ökonomie zum Opfer – und verschwinden. Meistens zumindest. Daher besteht der erste Schritt, ein Problem zu lösen, auch darin, seinen verdeckten Gewinn zu offenbaren; erst dann werde uns klar, warum wir an ihm trotz aller Widrigkeiten so lange festgehalten haben, schreiben die Autoren. Als Beispiel nennen sie das Problem, mit der beruflichen Karriere nicht voranzukommen. Ein möglicher Grund, es nicht zu lösen, liege im eigenen Verhalten: So würden wir deshalb nichts für unsere Karriere unternehmen, um genügend Zeit für die Familie zu sichern oder den innerfamiliären Frieden zu wahren. Wollten wir hingegen endlich Karriere machen, so erfordere das von uns den schmerzlichen Verzicht auf den verdeckten Gewinn, nämlich stets genug Zeit für unsere Familie zu haben. Daß wir bei dem Versuch, unsere Probleme zu beenden, nicht nur unangenehme Dinge über Bord werfen, sondern auch jede Menge Wertvolles und Liebenswertes – darin liegt wohl ein wesentlicher Grund, warum es uns so schwer fällt, von alten Fehlern zu lassen. Und damit zu beginnen, neue zu machen.
    Zu welch extremen Mitteln die Aussicht auf einen verdeckten Gewinn manche Menschen greifen läßt, zeigt das
Münchhausen Syndrome by Proxy
. Mit diesem Begriff wird das Verhalten von Müttern bezeichnet (sie stellen die überwiegende

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