Mach's falsch, und du machst es richtig
Verkehrssituation als sauberer, gemütlicher und jugendfreundlicher empfänden als zuvor, außerdem habe sich der Verkehrsfluß deutlich verbessert. Erklären läßt sich diese Einschätzung vor allem damit, daß die Autos merklich langsamer unterwegs waren und die Fahrer aufmerksamer sein mußten, um gut durchzukommen.
Wer den Erfolg von Verkehrspolitik daran bemisst, daß sie die Zahl der im Straßenverkehr verletzten oder getöteten Menschen verringert, wird mit Mondermans Konzept
sehr
zufrieden sein: «Unfälle mit Personenschaden» seien im Vergleich zu früher «prozentual stark abgesunken», heißt es in dem Bericht. Fußgänger seien seither überhaupt nicht mehr in Unfälle involviert gewesen. Gestiegen sei hingegen die Zahl der Unfälle ganz allgemein. Eine Tatsache, die als Angelpunkt einer grundsätzlichen Kritik an dem neuen Verkehrskonzept vollkommen ungeeignet ist, verzeichnet die Statistik doch vor allem kleinere Blechschäden: «Viele dieser Unfälle waren mit dem Ein- und Ausparken im Bereich der Gaststätte Gieseke-Asshorn verbunden.» Kaum der Rede wert also. Außer, man ist der CEO einer großen Versicherung und muß auf die Dividende achten.
Viel debattierenswerter erscheinen mir die Erkenntnisse, die diese Umfrage in Sachen Sicherheit zutage förderte. Trotz der vorwiegend positiven Effekte «steht ein Teil der Befragten dem Projekt nach wie vor skeptisch gegenüber», heißt es darin. Als Ursache nennen die Autoren der Abschlußdokumentation einen Grund, der meines Erachtens nicht nur für die Verkehrssituation in Bohmte gelten kann, sondern auch für alle anderen Beispiele strategischen Nichthandelns, von denen in diesem Kapitel die Rede ist. Wie die Menschen auf der Straße agierten und wie sicher sie sich dabei fühlten, hänge «stark von dem jeweiligen Individuum und seinem Selbstbewusstsein ab». Wer hätte das gedacht! Daß wir in einer Studie zu einem «städtebaulichen Planungsverfahren Ortskern Bohmte» so einfache und doch weitreichende Erkenntnisse finden würden. Es hängt also von
unserer
Bereitschaft und von
unserem
Mut ab, eigene Wege zu gehen, ob wir einen schweigenden öffentlichen Raum wie jenen von Bohmte als Chance oder als Gefahr empfinden. Und ob wir es in dem einen Moment wagen, selbstbewußt nichts zu tun, um uns im anderen einzugestehen, daß unser Nichthandeln keinen weiteren Zweck hatte, als uns um eine längst fällige Entscheidung zu drücken. Womit wir bei einer jener Ambivalenzen gelandet wären, von denen es in diesem Buch wahrlich genug gibt.
Die Kunst des Nichtstuns ist schnell erklärt. Mehr Aufwand erfordern die Überlegungen, wann sie angebracht ist und wann nicht.
Tun Sie einfach
nicht
, was Sie
nicht
tun wollen bzw. sollen – und reden Sie drüber, sonst bekommt es niemand mit: Mal angenommen, Sie kaufen sich ein Eis am Stiel, wickeln es aus und halten nur die lästige goldene Folie in der Hand. Dann haben Sie jetzt
genaugenommen
mehrere Möglichkeiten, die sich in zwei große Gruppen teilen lassen: in die Tun-Gruppe und die Nichttun-Gruppe. Zur ersteren gehört die Option, das Papier auf den Boden zu werfen, in die Tasche zu stecken, in den Mülleimer zu tun, es aufzuessen, ein Schiff draus zu basteln und so fort. Manche dieser Tun-Optionen sind sinnvoll, andere nicht. Zur Nichttun-Gruppe wiederum gehören mindestens ebenso viele Optionen mit dem entscheidenden Unterschied, daß Sie sie unterlassen. Das Problem: Die Optionen der Tun-Gruppe werden deutlich höher bewertet als die der Nichttun-Gruppe. Dabei sind die genauso wichtig. Wenn Sie nämlich beschließen, das Einwickelpapier
nicht
auf den Boden zu werfen, dann sind Sie zweifellos auf dem richtigen Weg, vorbildlich zu handeln. Worauf ich mit diesem kurzen Absatz hinaus will: Es spielt oft eine wichtige Rolle, was wir
nicht
tun. Damit das auch alle mitbekommen, müssen wir es freilich benennen, dieses Nichttun also gleichsam umreißen. Sonst verschwindet es im gestaltlosen, ungreifbaren, unbeschreibbaren Kosmos der ungetanen Dinge, von denen wir zwar wissen, daß es ihn gibt, aus dem aber selten Nachrichten nach außen dringen. Das Nichtstun ist also eine Art Schwarzes Loch des handelnden Kosmos, das verschlingt, was das Nichtgeschehene aufbewahrt.
Sind Sie also eine Supermarktkette und legen Sie Wert darauf, daß die Menschen wissen, daß Sie nichts Ungesundes in Ihre Bio-Produkte mischen, dann müssen Sie das auch kommunizieren. So wie das die österreichische Kette Billa getan hat. Die
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