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Mach's falsch, und du machst es richtig

Mach's falsch, und du machst es richtig

Titel: Mach's falsch, und du machst es richtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ankowitsch
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übersehen dabei, daß es damit nicht verschwindet, sondern sich nur um so hartnäckiger in unseren Köpfen hält. Daß sie also durch ihre Anti-Gott-Kampagne weniger der atheistischen als der christlichen Sache gedient haben. Der Grund dafür ist die Macht so kleiner Wörtchen wie «nicht» und «nein» und «niemals». Daher soll hier die Rede von ihnen sein.
    Wir Menschen sind besondere Geschöpfe, und das aus vielen Gründen. Einer davon liegt in unserer Fähigkeit, Negationen zu formulieren. Es gibt kein anderes Lebewesen, das dazu in der Lage wäre, «nein» und «nicht» zu sagen. Das klingt ganz interessant – aber ist es ein eigenes Kapitel wert? Was soll schon so außergewöhnlich daran sein, wenn wir Sätze formulieren können wie «Ich mag das nicht!», «Du bist nicht pünktlich!», «Das kommt nicht in Frage!» oder «Stell das Glas nicht so weit an den Rand!»? Es
ist
ein eigenes Kapitel wert. Sobald wir uns näher mit der Negation beschäftigen, werden wir sehen, welche wichtige Rolle sie spielt – für die kindliche Entwicklung, für die Bewältigung des alltäglichen Lebens, für das Phänomen, daß so oft das Gegenteil des Gewünschten geschieht. Und für die Strategie, diesen Mechanismus im eigenen Sinne zu nutzen. Dabei sollten wir eines im Kopf behalten: Wir beschäftigen uns in diesem Kapitel vorrangig mit unserem Denken und mit unserer Sprache – wozu den beiden das kleine Wörtchen «nein» dient, wie sie damit umgehen, wie sie es verarbeiten.
    Daß wir dazu in der Lage sind, «nein» zu sagen, verdanken wir dem Umstand, daß wir auch «ja» sagen können – und umgekehrt. Die beiden Begriffe bedingen einander und gehören zusammen, wie gut und böse oder innen und außen. Erst wenn es zu einem Zustand einen Gegenzustand gibt, sind wir in der Lage, sie voneinander zu unterscheiden. Objekte können wir beispielsweise erst dann erkennen, wenn ihre Oberfläche nicht bloß aus Licht besteht, sondern Schatten und Ränder aufweist. So verhält es sich auch mit dem Neinsagen: Wir sind erst dann in der Lage, zwei Zustände voneinander zu unterscheiden, wenn wir ja und nein sagen können. Folgen wir Fritz B. Simon, dann bestimmt dieses Ja-Nein-Schema unser gesamtes Reden und Denken: «Sprachliche Beschreibungen sind durch binäre Unterscheidungen geordnet.» [201]
    Um zu verstehen, wie wir die Fähigkeit erwerben, «nein» und «ja» zu sagen, müssen wir kurz in die Hocke gehen. Nur so können wir den zweijährigen Kindern ein wenig genauer zusehen, wie sie da um uns herumwuseln, auf uns zugehen – und gegen uns revoltieren. Wer kennt sie nicht, diese frühkindliche Phase? Wenn freundliche Babys sich in trotzige Monster verwandeln. Wenn sie die Fähigkeit entwickeln, «nein» zu sagen. Oder diese Form der Abneigung auf andere Weise ausdrücken. Aufgeklärt, wie die meisten Eltern mittlerweile sind, wissen sie diese Zeit sowohl zu benennen («Trotzphase») als auch zu ertragen (gefaßt). Dient sie doch dem Kind, selbständig zu werden. Kleinkinder, die «nein» sagen, tun den ersten Schritt in die Autonomie. Halbwüchsige, die «nein» sagen, machen damit weiter (aufgrund eines weitreichenden Umbauprozesses, dem das Gehirn während der Pubertät unterworfen ist). Und Erwachsene, die «nein» sagen, tun es aus demselben Grund. Nicht immer, aber oft. Eine zweite existentielle Form des Neins erlernen Kinder im Alter von etwa vier Jahren. Von da an verfügen sie nämlich über die Fähigkeit, Erfahrungen nicht nur zu machen, sondern diese Erfahrungen auch zu speichern und wieder abzurufen. [202] Dadurch wird es ihnen möglich, eine aktuelle Situation mit einer früheren, ähnlichen zu vergleichen. Passen sie zusammen, wird das Kind sie bestätigt finden, widersprechen sie einander, bietet ihm die Negation die Möglichkeit, auf diese Diskrepanz hinzuweisen.
    Überblicken wir unser Leben, dann verwenden wir Verneinungen meist, um anderen zu widersprechen. Sei es, weil wir ihnen nicht glauben, daß die Menschheit in einer hohlen Weltkugel lebt; sei es, weil wir ihre Ansichten über die solideste Automarke und die beste Lebensweise nicht teilen; oder sei es, weil wir nicht wollen, daß sie morgens um zwei Uhr ihr neues Schlagzeug ausprobieren. Mit einem Wort: Wir sagen «nein», wenn wir etwas für falsch halten, wenn wir unser Urteil bekräftigen wollen oder wenn es uns nicht paßt, was andere denken, tun, planen oder verkünden. Wir tun es stets in der Hoffnung, damit in den Lauf der Dinge

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