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Macht der Toten

Macht der Toten

Titel: Macht der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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erkannte Philip den Mörder des Fotografen Rüdiger Dehnen – und den seiner Großmutter.
    Wut kochte in ihm empor, für den Augenblick noch heißer als das Gefühl in seiner Körpermitte. Er wollte auf den Mörder einprügeln. Doch aus einem Grund, den er nicht verstand, erreichte sein Befehl die Beine nicht. Er wollte den Mörder zur Rede stellen. Er holte Luft, doch seine Lunge füllte sich nicht. Er hustete, rang um Atem. Vergeblich. Was war los mit ihm?
    Alle Kräfte schwanden aus seinem Körper. Er sackte zusammen. Der Schnee dämpfte seinen Aufprall. Die Kälte spürte er nicht. Ihm war heiß. So heiß. Aber jetzt bekam er wenigstens Luft, röchelnd zwar, aber seine Lungen arbeiteten wieder. Luft. Leben.
    Er drehte den Kopf zur Seite. Kahlscheuer stand mit vor Schreck geweiteten Augen über ihm, schüttelte den Kopf in einem fort. »Lacie, was haben Sie getan?«, stammelte er.
    »Das, was ich mit ihnen machen wollte«, knirschte es zwischen den Zähnen des Mannes, den der Priester Lacie genannt hatte.
    Philip sah an sich hinab. Seine Hände ruhten auf seinem Magen. Er hatte nicht bemerkt, wie er sich dorthin gefasst hatte. Eine rote zähe Flüssigkeit quoll zwischen seinen Fingern hervor.
    Erst jetzt fiel Philip das Messer in Lacies Händen auf, dessen Funkeln erstorben war. Es war blutüberströmt. Einige Tropfen perlten davon ab, fielen in den Schnee, der sie gierig verschlang. Die Klinge schwebte vor Kahlscheuers Gesicht.
    Dieser zeigte sich unbeeindruckt von der Gefahr. »Das wagen Sie nicht!«, schrie er.
    Lacie lachte. »Ich sagte doch schon: Ich hätte Sie gleich bei unserer ersten Begegnung töten sollen.«
    »Warum haben Sie es nicht gemacht?«
    Fassungslos verfolgte Philip die Auseinandersetzung. Ein diabolisches Grinsen erfüllte Lacies Narbengesicht. »Weil ich hoffte, dass Sie mich zu dem Jungen führen. Und…«, er hielt inne und wies auf Philip, »… meine Hoffnung wurde erfüllt.«
    Kahlscheuer witterte seine Chance. Mit kleinen, unauffälligen Schritten entfernte er sich. »Jetzt haben Sie ihn gefunden«, sagte er. »Bitte schön, er gehört Ihnen.«
    Philip glaubte sich verhört zu haben. Während er im Schnee verblutete, versuchte der Priester ihn gerade zu verschachern, nur um sein eigenes Leben zu retten. »Kahlscheuer«, röchelte er.
    »Still!«, fauchte der Priester. Philip entdeckte ein Glimmen in dessen Augen. Er erkannte es auf Anhieb. Er hatte es bei Grossmann, dem Mörder am Kudamm, gesehen, bei Carlos in der Untersuchungszelle, sogar bei dem rothaarigen Polizisten aus Neukölln. Und auch bei dem Attentäter im Terminal. Es war der heimtückische Blick des Todes. Der Virus des 21. Jahrhunderts.
    Eine neue Schmerzwelle brach über ihn ein, verbannte die Gedanken aus seinem Bewusstsein. Es reichte noch für die Erkenntnis, dass er kraftlos im Schnee lag, während das Leben aus ihm sickerte. Der andere hatte sich noch weiter entfernt, war kaum noch zu erkennen. Warum verdrückte er sich? Warum machte er keinerlei Anstalten, ihm zur Hilfe zu eilen?
    Ein erstickter Schrei lenkte seine Aufmerksamkeit zurück zu Kahlscheuer. Lacie hatte das Messer in den Leib des Priesters getrieben. Dieser stürzte zu Boden, geschüttelt von Krämpfen, bevor sein greiser, gichtiger Körper erstarrte.
    Das Narbengesicht drehte sich zu Philip um. »Und jetzt zu den wichtigen Dingen.« Er ging neben Philip in die Hocke. Vertraut, wie zu einem guten, alten Freund, sagte er: »Wir haben lange nach Ihnen gesucht.«
    Philip sammelte all seine Kraft, bevor er sagte: »Sie haben meine Großmutter getötet!«
    Lacie grinste. »Sie war alt und nutzlos.«
    »Piss die Wand an!« Philip sammelte Spucke und spie sie ihm ins Gesicht. Der Schleim landete in Lacies narbigen Kratern. Angewidert starrte er auf Philip herab, dann schlug er zu. Philips Schädel flog zurück, sein Hinterkopf traf auf hartes Eis. Für einen Moment verlor er die Besinnung. Als er wieder erwachte, hatte Lacie den Koffer zwischen den Händen.
    »Lassen Sie das!« Aus einem Reflex wollte Philip den Koffer an sich ziehen. Das Feuer, das in seinem Magen aufloderte, unterband eine hastige Bewegung. Und warum wollte er die Tasche überhaupt beschützen? Sollte der Mörder sich doch in die Luft sprengen.
    »Sie hatten es ganz schön eilig, das gute Teil in Sicherheit zu bringen«, lachte Lacie, während er bereits an den Verschlüssen fingerte. Er bekam sie nicht auf, nahm sein blutverschmiertes Messer zur Hilfe.
    Philip wandte das Gesicht ab,

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