Macht des Schicksals - Spindler, E: Macht des Schicksals
Angesicht einer Katastrophe nicht die Fassung zu verlieren? Es musste wohl so sein. Natürlich war Terrence ein guter Butler, genau genommen war er sogar ein perfekter Butler. Die perfekte Edwina hätte sich nicht mit weniger zufrieden gegeben.
Sie presste ihre Finger gegen die Stirn und begann sie gedankenverloren zu reiben. Was machte sie? Warum dachte sie über die Fertigkeiten eines Dieners nach, anstatt sich mit Prestons Brief zu befassen?
Ein höfliches Räuspern brachte sie aus ihrer Trance. Der arme Mann wartete wahrscheinlich auf eine Antwort, schriftlich oder mündlich, irgendetwas, das Prestons Schuldgefühle vermindern konnte.
Eine Reihe von Beleidigungen kam ihr in den Sinn, etwas Vulgäres und Schockierendes, das den Butler und Preston aus dieser stoischen Ruhe bringen würde. Aber sie konnte überhaupt keinen klaren Gedanken fassen. Ihr Gehirn schien völlig leer zu sein.
Rachel riss sich zusammen und drückte die Schultern durch, um den Versuch zu unternehmen, einigermaßen würdevoll auszusehen. „Danke, Terrence. Sagen Sie Mr. Farley bitte, dass ich es verstehe.“
Terrence verbeugte sich, eine weitere Angewohnheit, die er im Lauf der Jahre bis zur Perfektion weiterentwickelt hatte. Als er sich nicht von der Stelle rührte, ging sie zur Tür und öffnete sie für ihn. Was solls, er hatte das für sie oft genug gemacht.
Er bewegte sich noch immer nicht, sondern räusperte sich abermals. Diesmal ging es mit einem kurzen, verräterischen Blick auf ihre linke Hand einher.
Oh, Gott, der Ring. Darauf hatte er die ganze Zeit gewartet. Fast hätte sie laut losgelacht. Dachte er, dass sie den Ring behalten wollte? Dass er ihn ihr vielleicht mit Gewalt vom Finger reißen musste?
Sie wollte ihm keinen Herzinfarkt bescheren, also zog sie den Ring vom Finger und warf ihn in seine bereits geöffnete und ausgestreckte Hand. „Hier“, sagte sie. In der Hoffnung, dass er als perfekter Butler ihre Nachricht auch exakt so weitergeben würde, wie er sie erhielt, fügte sie hinzu: „Sagen Sie Preston, dass er mir sowieso nie gefallen hat.“
Rachel stand verloren und fassungslos mitten im Wohnzimmer, nachdem Terrence wieder gegangen war. Wie konnten sich bloß so viele Katastrophen in so kurzer Zeit ereignen? Erst der Tod ihrer Großmutter, dann die Erkenntnis, dass sie die Tochter von Alyssa Dassante war. Und jetzt Preston.
Warum musste sie immer die Menschen verlieren, die sie am meisten liebte? Sie sah sich hilflos um. Sollte ihre eigene Stärke auf die Probe gestellt werden? Oder war irgendeine finstere Verschwörung am Werk, die sicherstellen sollte, dass sie am Ende ganz alleine dastehen würde?
Ihr Blick blieb an dem Regal hängen, das von Wand zu Wand reichte und in dem sich unzählige alte Bücher aneinander drängten, von denen sie einige schon als Kind gelesen hatte. Hier und dort dienten Schnickschnack und Souvenirs als Buchstützen. Ein Seelöwe aus Porzellan, den Preston ihr in Pebble Beach gekauft hatte, ein Kaffeebecher mit einem Foto von seinem Gesicht, eine kleine Standuhr, die er ihr zum Geburtstag geschenkt hatte.
„Damit kannst du die Stunden bis zu unserer Hochzeit zählen“, hatte er zu ihr gesagt.
Auf dem mittleren Regalbrett stand ein gerahmtes Foto, das sie und Preston zeigte. Sie blickten sich in die Augen und wirkten unendlich glücklich. Sie strich mit den Fingern über die Konturen des Gesichts ihres Verlobten ... ihres Exverlobten. Wieso hatte sie sich so in ihm getäuscht? Und wie konnte er sich in einer solchen Zeit von ihr abwenden?
Während sie ein Schluchzen unterdrückte, riss sie das Bild von seinem gemütlichen Platz und schmiss es gegen die Wand. Als Rachel das Geräusch von zersplitterndem Glas hörte, sank sie auf die Knie, vergrub ihr Gesicht in ihren Händen und begann hemmungslos zu weinen.
Einige Minuten verstrichen, dann stand sie auf und beseitigte die Unordnung, die sie selbst verursacht hatte. Das Bücherregal räumte sie so um, dass sie nicht ständig an das Bild erinnert wurde, das dort gestanden hatte.
Sie holte einen alten Koffer vom Dachboden, brachte ihn ins Schlafzimmer und packte Prestons Kleidung zusammen: ein Armani-Jackett, ein Bill-Blass-Anzug, mehrere Hemden, zwei Hosen sowie eine Reihe von Krawatten, T-Shirts, Gürteln und Schuhen. Preston hatte höchstens ein oder zwei Nächte in der Woche hier im Bungalow übernachtet, aber er bevorzugte es, vorbereitet zu sein.
Als nichts mehr übrig war, was ihrem Exverlobten gehörte, ging sie
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