Macht des Schicksals - Spindler, E: Macht des Schicksals
einem Konzert gegangen war, hatten ihn 18.000 kreischende Fans beinahe zu Tode getrampelt. Außerdem hatte es anschließend zwei Stunden gedauert, bis er wieder richtig hören konnte. „Mal sehen“, sagte er und hoffte, dass der Auftritt bereits ausverkauft war. „Erst mal möchte ich aber mit dem Arzt reden. Wie heißt er?“
„Dr. Muldor.“ Noelle kicherte. „Aber die Schwestern nennen ihn alle Dr. Dreamboat. Hinter seinem Rücken natürlich.“
Ein vertrautes Gefühl nagte an seinem Herzen. Sein kleines Mädchen wurde immer schneller erwachsen, und er war nicht sicher, wie er das fand.
Bevor er etwas zu Noelles Bemerkung sagen konnte, zog sie an seinem Ärmel.
„Daddy? Bleibst du heute Nacht hier? Dr. Muldor hat gesagt, du ...“
„Aber Noelle, Darling“, mischte sich Lindsay ein. „Ich dachte ... ich meine, ich war davon ausgegangen, dass ich heute Nacht hierbleibe.“
„Du kannst nicht, Mommy. Hast du das vergessen? Du gehst mit einem Kunden essen. Darum sollte Dad mich ja auch zum Gymnastikunterricht bringen.“
„Das kann ich absagen.“
Jetzt wusste Gregory, dass seine Exfrau tatsächlich zutiefst erschüttert war. Soweit er sich erinnern konnte, hatte Lindsay in ihrer Funktion als erfolgreiche Werbemanagerin noch nie ein geschäftliches Treffen abgesagt. Während ihrer stürmischen, sechs Jahre dauernden Ehe hatte sie fast jeden Abend einen Termin wahrgenommen, während er und Noelle die Abende alleine bestreiten mussten.
„Das ist nicht nötig“, sagte er. „Ich bleibe gerne hier.“ Während Lindsay ihm einen weiteren tödlichen Blick zuwarf, deutete er zur Tür, dann stand er auf. „Entschuldige uns einen Moment, Schatz. Ich muss mit deiner Mutter reden.“
Als sie außer Hörweite waren, sagte er zu Lindsay: „Was hast du denn jetzt schon wieder für ein Problem?“ Er versuchte, leise zu sprechen, aber es gelang ihm nicht so recht.
„Mein Problem“, zischte sie ihn wütend an, „besteht darin, dass du dich vor meiner Tochter mit mir streiten musst. Warum, Gregory? Damit du wie der wunderbare Daddy aussiehst, der du gar nicht bist? Und alles zunichte machst, was ich aufzubauen versuche?“
„Herrgott noch mal, Lindsay. Niemand versucht, irgendwas zunichte zu machen. Das kannst du selbst viel besser.“
„Ich wollte bei ihr bleiben.“
„Dann bleib. Wir bleiben beide. Ist doch kein Problem.“
„Lieber verbringe ich die Nacht mit einer Schlange“, erwiderte sie, während sie ihn verächtlich ansah.
Gregory musste lachen. Die menschliche Seite, die sie gerade eben noch gezeigt hatte, war schon wieder verschwunden. „Das würde ich auch. Aber für Noelle bin ich sogar bereit, deine Anwesenheit zu tolerieren. Also tu deiner Tochter einen Gefallen, ja? Hör auf, so egoistisch zu sein, und denk zur Abwechslung mal daran, was sie möchte.“
Das Gift, das sie versprühte, umgab sie wie eine Aura des Bösen. „Oh, du bist genau der Richtige, der über Egoismus sprechen muss. Wenn du deine Prioritäten richtig setzen würdest, dann würde sie jetzt nicht im Krankenhausbett liegen.“
„Wenigstens lasse ich mich blicken. Und ich bin da, wenn es darauf ankommt. Das kann man von dir wohl kaum sagen.“
Sie richtete sich vor ihm auf. „Das war eine ganz billige Attacke. Ich bin eine berufstätige Frau. Und wenn ich nicht immer bei ihren Sportveranstaltungen oder bei ihrem Gymnastikunterricht anwesend bin, dann liegt das daran, dass ich den Lebensunterhalt verdienen muss.“
Gregory seufzte. Er hatte das alles oft genug gehört, aber diesmal war er nicht bereit, ihr auch die andere Wange hinzuhalten. „Komm mir nicht wieder mit dieser alten Ausrede. Der Unterhalt, den ich dir zahle, ist so hoch, dass du bequem Teilzeit arbeiten könntest. Aber das wäre wahrscheinlich zu viel von dir verlangt.“
„Würde ich dich um Teilzeitarbeit bitten? Nein“, sagte sie, ohne ihm eine Gelegenheit zu einer Antwort zu geben. „Weil ich weiß, wie wichtig dir deine Arbeit ist. Bei mir ist das nicht anders. Und damit das klar ist: Ich bringe Haushalt und Karriere sehr gut unter einen Hut. Das glaubst du vielleicht nicht, aber was weißt du schon? Du kümmerst dich nur an zwei Wochenenden im Monat um Noelle.“
„Ich habe dir gesagt, dass wir unsere Vereinbarung jederzeit ändern können. Ich würde mich freuen, Noelle auf Dauer zu mir zu nehmen.“
„Was weißt du denn schon darüber, wie man eine Zwölfjährige erzieht.“
„Ach, aber du weißt das?“ Er schüttelte den
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