Macht des Schicksals - Spindler, E: Macht des Schicksals
aus“, sagte Rachel.
„Das war sie auch. Das Foto entstand, kurz nachdem sie und Mario aus den Flitterwochen zurückgekehrt waren.“
Rachel blickte auf. „Du siehst gut aus.“
Erica schüttelte den Kopf. „Deine Mutter war die, die gut aussah. Wenn sie da war, nahm von mir niemand Notiz.“
In Ericas Stimme war keine Feindseligkeit zu hören, nicht die Spur von Eifersucht oder Verärgerung.
„Nach Marios Tod“, fuhr sie fort, „verbrannte Sal alle Fotos, auf denen sie zu sehen war. Dieses hier konnte ich retten. Nico nahm es bei einem Segelausflug nach Tiburon auf der anderen Seite der San Francisco Bay auf. Niemand wusste, dass ich dieses Foto besaß, und mir war nie so richtig klar, warum ich es behalten habe.“ Sie gab es Rachel. „Jetzt weiß ich es.“
„Danke“, erwiderte Rachel, die den Blick nicht von Alyssa abwenden konnte.
Nach langem Schweigen beugte sich Erica vor. „Du möchtest sie finden, nicht wahr?“
Rachel zögerte und überlegte, ob Erica ihre Antwort an Sal weitererzählen würde. Was würde er machen, wenn er wusste, dass sie ihre Mutter finden wollte? Würde er es verstehen, oder würde es ihn verärgern und dazu veranlassen, sein Versprechen zu brechen?
Sie beschloss, Erica so zu vertrauen, wie sie ihr vertraute. „Ja“, sagte sie und beobachtete Ericas Reaktion. „Ich würde sie sehr gerne finden.“
„Das habe ich mir gedacht.“ Erica trank den Rest ihres Ginger Ale. „Ich würde dir gerne helfen, aber ich habe keine Ahnung, wie man so etwas machen sollte.“
„Ich auch nicht. Aber zum Glück hat Gregory Shaw versprochen, mir zu helfen.“
„Gregory Shaw ist doch ein Privatdetektiv, richtig?“
Rachel nickte. „Vermisste Personen aufzuspüren, ist eigentlich nicht mehr das, was er macht, aber er weiß, wo und wie man Informationen bekommt. Allerdings ist das alles sehr lange her, und die Spuren dürften nur noch schwer zu entdecken sein.“ Sie lächelte Erica hoffnungsvoll an. „Ich kann wohl nicht annehmen, dass du irgendjemanden kennst, der etwas wissen könnte? Ein entfernter Cousin, eine Tante in einem Altersheim?“
„Ich fürchte nicht. Soweit ich weiß, hatte Alyssa niemanden. Darum gefiel ihr der Gedanke einer ,Fertigfamilie‘ so sehr. Jedenfalls anfangs.“
„Hat sie Mario geliebt?“
Ericas Blick schweifte wieder in die Ferne ab. „Ja. Bis er anfing, sie zu schlagen.“
„Er hat sie geschlagen?“
Erica nickte. „Ich wollte es dir eigentlich nicht sagen, aber du hast die volle Wahrheit verdient.“
„Wusste Sal davon?“
„Ja“, seufzte sie. „Aber er sah fort. So wie immer, wenn es um Mario ging.“ Als hätte sie mit einem Mal gemerkt, dass sie mehr gesagt hatte, als sie sollte, sah sie auf ihre Armbanduhr. „Oh, mein Gott, ist es schon so spät?“
„Ich bin froh, dass du hergekommen bist“, sagte Rachel und stand auf. „Beim nächsten Mal gehen wir essen.“
Erica strahlte. „Einverstanden.“
20. KAPITEL
„Und?“ fragte Sal beim Abendessen. „Wie war dein Besuch bei Rachel?“
„Sehr gut, aber ich muss dich warnen, Sal. Ich konnte sie nicht anlügen. Ich habe ihr gesagt, dass du mich geschickt hast.“
Wütend legte Sal seine Gabel auf den Teller. „Wie kannst du nur etwas so Dummes machen?“
„Weil sie nicht auf den Kopf gefallen ist. Sie hätte mich sofort durchschaut.“
„Okay, okay“, sagte er, nahm seine Gabel wieder auf und fuchtelte damit in der Luft herum. „Was hat sie gesagt? Will sie mich wieder sehen?“
„Vielleicht, wenn wir sie nicht zu sehr unter Druck setzen. Sie ist eine sehr unabhängige junge Frau, Sal. Sie trifft ihre eigenen Entscheidungen.“
„Hat sie dich nach ihrer Mutter gefragt?“ wollte Nico wissen.
Sal bemerkte, dass Erica zögerte. „Sie hat Fragen gestellt.“
Nico sah von seinem Teller auf. „Siehst du, Pa? Sie hat Fragen gestellt. Was sagt dir das?“
„Halt den Mund, Nico. Was wollte sie wissen?“
„Sie wollte wissen, wie Alyssa war“, erwiderte Erica beiläufig. „Was ich von ihr hielt und alles solche Dinge.“
„Und was hast du gesagt?“
„Ich habe ihr erzählt, was ich weiß. Und sieh mich nicht so an, Sal“, sagte sie im gleichen Atemzug. „Was hätte ich machen sollen? Sollte ich so tun, als hätte ich die Frau nicht gekannt, mit der ich ein Jahr lang unter einem Dach gelebt habe?“
„Ich habe gewusst, dass es keine gute Idee war, Erica zu schicken“, murmelte Nico.
Sal warf ihm einen eisigen Blick zu. „Halt verdammt noch mal
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