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Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition)

Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition)

Titel: Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Kraus
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Auch nicht später irgendwann, als Elder Statesman? Ein promptes: »Nein«. Doch nach kurzem Nachdenken halbspaßt er launig: »Oder, besser gesagt: Falls Deutschland mal eine Monarchie einführt, dann würde ich es gerne machen. Als Monarch.« Natürlich. Wäre Andrea Ypsilanti imstande, einen solchen Satz zu sagen, sie wäre wahrscheinlich frei.

    Die Entlassung aus der Verantwortung liegt in jedem selbst, doch auf der Suche nach der Befreiung assistieren viele Faktoren. Manchmal liegt die Erlösung in der Vergessenheit, dem Abtauchen unter den medialen Radarschirm. In anderen Fällen ist das Abtauchen der Untergang, die schlimmste vorzustellende Strafe. Doch was macht den Unterschied aus in der Betrachtung einzelner Biographien? Wann ist das Gedächtnis nachsichtig, wird Ächtung zur Achtung vor der Gesamtleistung? Und wann bleibt die Person unauslöschbar mit den Schattenseiten des Wirkens verbunden?
    Ein bedeutender Aspekt des friedvollen und wohlbegleiteten Umbruchs ist die Existenz einer neuen Aufgabe. In Abhängigkeit von Lebensalter, Persönlichkeit und vorheriger Erfahrung kann eine ähnliche Funktion erfüllend sein. Manchmal braucht es eher den absoluten Kontrapunkt, einen völlig neuen Akzent. Denjenigen, die in Harmonie mit dem eigenen Lebenslauf sind, gelingt es leichter, ihren Weg leise zu gehen. Andere suchen eine geräuschvoll inszenierte Repositionierung, die das angekratzte Image aufpoliert. Die Suche nach einem gleichrangigen Stellenwert wird allerdings umso schwerer, je bedeutender die vorherige Rolle und die Identifikation damit gewesen ist. Extreme Öffentlichkeit eines Amts und die intensive Verschmelzung zwischen Position und Person machen die Auflösung schwer oder gar unmöglich.

    Das Gespräch mit Hartmut Mehdorn beginnt eine halbe Stunde früher als geplant. Bemerkenswert für einen Mann, dessen Image zu einem gewichtigen Teil an Verspätungen festgemacht wird. Der ehemalige Bahn-Chef ist nun Airline-Chef, auch wenn er es damit sicher nicht zu einem Markenbegriff schaffen wird. Wir treffen uns in seinem neuen Büro in einem Außenbezirk von Berlin, die Umgebung ist so fern von der pulsierenden Urbanität der Hauptstadt wie die Architektur des Zweckgebäudes von der des formidablen Berliner Hauptbahnhofes. Verabredet hatten wir uns zu diesem Gespräch lange vorher, als er gerade nicht Chef war, sondern aus einem stattlichen Büro in Frankfurt seine verschiedenen Mandate koordinierte. Heute sind ehemalige Vorstände nicht mehr arbeitslos oder gar Pensionäre, sondern Berater oder Aufsichtsräte. Die Übernahme der Vorstandsposition bei Air Berlin hat unsere Begegnung verständlicherweise verzögert, möglicherweise inhaltlich verändert, zurückgenommen hat Hartmut Mehdorn seine Gesprächszusage jedoch nicht. Ein Wort ist ein Wort, da gilt bei ihm die Alte Schule. Ansonsten wirkt er ziemlich jungenhaft an diesem Tag, aufgedreht und beinahe kindlich in der Freude über sein neues Sanierungsprojekt. Er nimmt sich Zeit für das Gespräch, hält sich aber nicht mit Nebensächlichkeiten wie der Getränkeversorgung auf und verlässt zwischendurch unvermittelt für längere Zeit den Raum. Unmoderierte Unterbrechungen, auch so ein Ärgernis der Bahn, das er abzuschaffen versucht hat. Kommunikation mit den Kunden ist wichtig. Und so erklärt er bei der Rückkehr seine abrupte Abwesenheit mit einem wichtigen Telefonat. Kopfschüttelnd, irgendwie lief es nicht so ganz in seinem Sinne. Trotzdem gelingt es ihm, sofort wieder mit seiner enormen Präsenz an dem Punkt anzuknüpfen, an dem das Gespräch zuvor stoppte. Er lässt sich auf die Situation ein, bemüht sich um präzise Antworten und weicht keiner Unbequemlichkeit aus. Doch der Eindruck, er würde am liebsten nebenbei einen Reformplan für seine Fluglinie entwickeln oder eine Akquisition vorbereiten, wird durch das rhythmische Wippen seiner Knie und der stetigen Neuordnung der Gegenstände auf dem Tisch effektvoll unterstrichen.
    Hartmut Mehdorn ist ein kleiner Mann, aber einer für die ganz großen Aufgaben. Nachdem die Bundesregierung 1998 eine Reform der Bundesbahn beschlossen hatte, wusste Kanzler Gerhard Schröder, dass er für die Umsetzung der anspruchsvollen Modernisierungspläne einen beinharten Sanierer brauchte. Als Air Berlin zuletzt auf eine so existentielle Weise ins Schlingern kam, dass der Gründer Joachim Hunold um sein Lebenswerk fürchten musste, war der Retter ebenso schnell gefunden.
    Er ist froh, hier zu sein, nicht nur

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