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Macht Musik schlau?

Macht Musik schlau?

Titel: Macht Musik schlau? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Jäncke
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– all dies sind Themen, die offenbar dem Zeitgeist entsprechen. Und jetzt auch noch Musik und Alter. Was hat Musik mit dem Alter zu tun? Eine ganze Menge und das nicht nur, um dem Zeitgeist gerecht zu werden, sondern aufgrund handfester Erkenntnisse aus der Psychologie und den Neurowissenschaften. Der Grund für den hier geknüpften Zusammenhang ist eine wissenschaftliche Arbeit, die 2003 in der angesehenen medizinischen Zeitschrift
New England Journal of Medicine
erschienen ist (Verghese et al., 2003). Federführend in dieser Studie ist der Arzt Joe Verghese, der diese
Bronx Aging Study
leitete. Im Rahmen dieser Längsschnittstudie überprüften die Wissenschaftler über mehrere Jahrzehnte hinweg, unter welchen Umständen ältere Menschen Demenzen entwickeln. Im Grunde handelt es sich um eine spektakuläre Studie, denn die Autoren haben 488 ältere Personen von 1980 bis 2001 (also über einen Zeitraum von 21 Jahren) untersucht. Alle 12 bis 18 Monate haben sie die Studienteilnehmer besucht und sie detaillierten Untersuchungen und Befragungen unterzogen. Diese 488 Personen wurden aus einer größeren Stichprobe ausgewählt, weil sie zum Zeitpunkt der Erstuntersuchung unter keinen schwerwiegenden Erkrankungen litten. Das Alter der teilnehmenden Versuchspersonen betrug zu Beginn der Untersuchung rund 75 Jahre. Im Laufe dieser Untersuchung entwickelten 124 Personen eine Demenz. Die Autoren überprüften, wodurch sich diese Personen von jenen unterschieden, die keine Demenz entwickelten. Dabei offenbarten sich bemerkenswerte Erkenntnisse. Jene Personen, die sehr häufig anspruchsvolle Brettspiele spielten, dem Tanzsport nachgingen oder ein Musikinstrument spielten, entwickelten seltener Demenzen. Bemerkenswert war auch, dass jene Personen, die bereits zu Beginn der Untersuchung intensiv in aktive Freizeitaktivitäten eingebunden waren, über eine höhere kognitive Leistungsfähigkeit verfügtenund später auch seltener Demenzen entwickelten. Die Autoren konnten überdies einen statistischen Zusammenhang zwischen dem Risiko, eine Demenz zu entwickeln, und dem Umfang der kognitiven Aktivität während der Erstuntersuchung berechnen. Das mag ein wenig abstrakt klingen, deshalb erlaube ich mir, diesen Zusammenhang etwas plastischer zu erläutern. Die Autoren haben in der Erstuntersuchung berechnet, wie häufig pro Woche die Testpersonen ein Musikinstrument spielten, zum Tanzen gingen oder anspruchsvolle Brettspiele spielten. Die so gewonnenen Kennzahlen haben sie dann mit der Wahrscheinlichkeit, in späteren Jahren eine Demenz zu entwickeln, in Beziehung gesetzt. Dabei zeigte sich, dass das Risiko, später eine Demenz zu entwickeln, bei Personen, die etwa einmal in der Woche einer der genannten Freizeitaktivitäten nachgingen, um rund 7 % abnahm. Jenes Drittel der Personen, das während der Erstuntersuchung am häufigsten an diesen beanspruchenden Freizeitaktivitäten teilnahm, wies ein um 63 % vermindertes Demenz-Risiko im Vergleich zu jenen Personen auf, die am seltensten daran teilnahmen. Fassen wir noch einmal zusammen: Jene Personen, die zum Zeitpunkt der Erstuntersuchung in der Freizeit sehr aktiv waren und kognitiv anspruchsvolle Tätigkeiten durchführten, entwickelten im fortgeschrittenen Alter seltener Demenzen!
    Dies ist ein tolles Ergebnis. Zugegeben, an dieser Studie ist einiges zu kritisieren. Nicht weil die Autoren ihr Handwerk nicht beherrschen und methodische Fehler eingebaut haben. Das Problem dieser Arbeit besteht darin, dass solche Längsschnittstudien nie wirklich einwandfrei zu kontrollieren sind. Man darf nicht vergessen, dass sich diese Studie über einen Zeitraum von 21 Jahren hinzog. Über einen derart langen Zeitraum kann man nicht jede Person einwandfrei kontrollieren und Einflussgrößen des täglichen Lebens zweifelsfrei objektivieren. Die Autoren dieser Studie haben sich jedoch sehr bemüht, viele mögliche Einflussfaktoren zu identifizieren und, soweit es überhaupt geht, zu kontrollieren. Trotz allem bleibt allerdings ein wesentliches Problem erhalten. Es besteht immer noch eher ein korrelativer Zusammenhang, der es eigentlich unmöglich macht, einen kausalen Zusammenhang anzunehmen. Intensives Musizieren, Tanzen oder Brettspielen
müssen nicht zwangsläufig
zu einem geringeren Demenz-Risiko führen. Es könnte auch sein, dass sich zum Zeitpunkt der Untersuchungen bei einigen Testpersonen

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