Macht nichts, Darling
Gesellschaft zu einer Besichtigung von Luthens animieren und somit Nan Gelegenheit geben, nach Herzenslust die endlosen Weiten und grünenden Gefilde zu bewundern. Sally bemerkte hierbei mit belustigtem Grausen, daß sie schon anfing, in Nans Klischees zu denken.
Matthew kam von der Arbeit herein, bevor der Besuch sich verabschiedete, weigerte sich aber, wie immer in solchen Fällen, mit ins Wohnzimmer zu kommen. Er trank seinen Tee ostentativ in der Küche. Doch hellte sich seine beleidigte Miene auf, als Alice, die er sehr gern hatte, einfach zu ihm herauskam und ihm Gesellschaft leistete. Nebenbei erlauschte er genügend von dem Gespräch nebenan, um später zu Sally sagen zu können: »Diese Nan, oder wie sie heißt, hat ja ’ne Pflaume im Mund und redet mir überhaupt zuviel hochgestochenes Zeug!«
»Sie ist ein sehr nettes Mädchen«, entgegnete Sally unwillig, »auch wenn sie’s ein bißchen mit den endlosen Weiten hat«, worauf Matt nur bemerkte, er danke für die endlosen Weiten, besonders wenn er die Schafe bei Sauwetter von einer Weide auf die andere bringen müsse, und daß es jeden vernünftigen Mann krank mache, wenn er beim Nachhausekommen auch noch solchen Quatsch darüber anhören sollte. Sally lehnte es resolut ab, sich von diesem Männerurteil niederdrücken zu lassen. Wieder und wieder sagte sie sich vor, daß ein naiv-begeistertes Mädchen, das sogar Wollschuppen im verklärenden Licht der Romantik sah, am ehesten fähig sein würde, Elizabeth Grays hochnäsigen und überheblichen Schatten zu bannen. Jedenfalls würde sie gleich nächste Woche ihre Party geben, und es müßte ja mit dem Teufel zugehen, wenn Simon sich nicht von Nan angezogen fühlte.
Es war sehr aufregend für Sally, eine Party zu geben, auch wenn die Eingeladenen nur ihre paar nächsten Freunde waren. Kurz vorher rief Tante Dorothy an, um ihr zu sagen, sie hätte aus purer Zerstreutheit viel mehr Fleischpastetchen gemacht, als Simon und sie in den nächsten Tagen aufessen könnten, und dasselbe wäre ihr auch mit einem überzähligen Kuchen passiert. »Also mach dir nicht die Mühe, extra zu backen, Kind. Auf Parties wird selten übermäßig gefuttert, und der Kuchen ist aus Versehen besonders groß geworden.«
Dies erinnerte Sally etwas beschämend an die bewußten Dorfveranstaltungen, zu denen die Damen garnierte Platten beisteuern mußten, zumal auch Alice ankündigte, sie werde fertige Sandwiches mitbringen »und noch ein paar Appetithäppchen... Ich möchte mich ja endlich mal für die Sachen revanchieren, mit denen du neulich unser Ausflugslokal in Schwung gebracht hast«, erklärte sie fröhlich, und Sally war trotz ihres lauten Widerspruchs insgeheim erleichtert, weil ihr besonders bei Kuchen die merkwürdigsten Dinge passierten. »Manchmal gelingen sie fabelhaft, und manchmal gebe ich sie stillschweigend den Hühnern«, wie sie Hugh gestand, der zuerst ankam.
Matthew hörte es und ärgerte sich darüber. Mußte Sally sich mit Gewalt vor dem aussichtsreichsten Eheanwärter in ein schlechtes Licht setzen? »Es gibt keine bessere Köchin als dich«, bemerkte er mit wütendem Nachdruck. »Deinen Rostbraten mit Beilagen soll dir mal einer nachmachen, und darauf kommt’s einem Mann an, wenn er müde und hungrig nach Hause kommt, nicht auf irgendwelchen süßen Firlefanz, der im Mund schmilzt und den Bauch leer läßt!«
»Das ist wahr, ich bin eine brave, biedere Köchin und keine Künstlerin«, lachte Sally, ohne auf Matts erneutes Protestgemurmel zu achten. Über seine gute Absicht, sie vor den Augen ihres Verehrers gehörig herauszustreichen, konnte kein Zweifel bestehen. Aber war Hugh überhaupt ein Verehrer? Und wenn: Fühlte sie sich mehr als sanft geschmeichelt?
Wie eine biedere Köchin sah sie heute abend jedenfalls nicht aus. Ihre Wangen waren gerötet, und ihre Haselnußaugen strahlten. Bei einem flüchtigen Blick in den Spiegel fand sie selbst, daß sie nicht besser aussehen konnte. Sie hatte weder die stille Schönheit Alices noch den Seelenausdruck Nans, aber sie war ganz passabel. Ihr Teint war vielleicht ein bißchen zu braun von Sonne und Wind, und die Hände zeigten trotz aller Pflege, daß sie tagaus, tagein tüchtig zugreifen mußten. Aber das war Sallys geringste Sorge. Wäre sie nicht gar so selbstlos gewesen, so hätte sie sich möglicherweise sogar gefreut, daß der Unterschied zwischen Nans blumenzarten Fingerchen und ihren rauhen Arbeitshänden Simon auffallen und zu naheliegenden Schlüssen
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