Macht: Thriller (German Edition)
Dreck. Das hat es doch alles schon einmal gegeben. Gernot lachte bitter. Einmal? Das Skript war nicht neu. Die letzten Tage der Menschheit … Er betrat die Schalterhalle. Ein paar Herren frühstückten an den Stehtischen vor dem Bahnhofsbuffet. Auf den ersten Blick blieb unbeantwortet, ob vor oder nach dem Schlafengehen. Szombathy bestellte einen Kaffee und drehte sich um. Die Stammtischrunde behielt er besser im Auge. Die Herren prosteten sich mit den Bierflaschen zu und bissen in Burenwürste und Leberkässemmeln. Kleinformatige Tageszeitungen lagen auf dem Tisch. Auf jedem Titelblatt die Schlagzeile des Tages. Szombathy hatte genug und bezahlte. Er wollte weg, bevor einer der Herren schwach wurde und wegen der JaKdo -Uniform auf dumme Ideen kam. Im Vorbeigehen hörte Gernot den rotbäckigen Wortführer: »Ich weiß, das g’ hört sich nicht, aber ich freu mich auch a bissel. Jetzt wissen diese arroganten Amis auch endlich, wie es sich anfühlt, wenn einem daheim die Bomben aufn Schädel fallen!« Zustimmendes Gebrumm, Zuzwinkern und eifriges Nicken. Die Stimme des Revanchismus hatte gesprochen. Die Schmerbäuche erklärten den Krieg.
72
Wien, 14. Oktober 2012
J osephine beendete das Telefonat mit einem Küsschen. Das war doch gar nicht so schlecht gelaufen. Moritz war ein Schatz, und das »Apartment« noch nicht aufgegeben. Jetzt hatten Gernot, Lilly und sie ein richtiges Bett, mit Lattenrost und Blick auf den Main, den Eisernen Steg und den Dom. Das war ja fast wie Urlaub. Josephine spitzte die Ohren. Es klopfte an der Tür.
Udo kratzte sich den Nacken und trat von einem Fuß auf den anderen. Als die Zimmertür geöffnet wurde, blickte er sich nach allen Seiten um. Auf dem Hotelgang blieb alles ruhig. Er zwang sich zu einem Lächeln und schob sich und die Reisetasche an Josephine vorbei. »Ich komme mit euch nach Frankfurt«, flüsterte er und huschte in das Hotelzimmer.
Josephine stützte sich auf die Türklinke und hob die Augen zum Himmel. Danke, o Herr, dass sie sich zu dem Anruf durchgerungen hatte! Sie drückte die Tür ins Schloss, wandte sich an Kernreiter und stemmte die Hände in die Hüften. »Ach ja? Wie kommt’s?«
»Erklär ich dir später.« Udo pulte eine CD-Hülle aus der Innentasche seiner Lodenjacke und reichte sie Josi. »Zuerst schau dir die DVD an! – Bitte.« Er wich dem prüfenden Blick aus und warf den Janker über die Stuhllehne. »Danach siehst du etwas klarer.« Er quälte die Mundwinkel nach oben. »Hahaha! Zumindest mir und Gabriel ist es so gegangen. Uns sind die Schuppen von den Augen gefallen.« Udo räusperte sich und setzte sich auf das Bett. Er sprang auf wie von der Tarantel gebissen. »Es tut mir leid! Ich darf mich doch – setzen?«
Josephine seufzte und winkte ab. »Fühl dich ganz wie zuhause.« Sie löste die selbstgebrannte DVD aus der Hülle und setzte sich vor den Laptop. »Was ist das? Ich hoffe, kein Homevideo .« Sie schob die Silberscheibe in das Laufwerk und verschränkte die Arme. Sie hörte hinter sich Matratze und Lattenrost leise ächzen.
»Was? – Hahaha! – Nein.« Kernreiter wischte sich mit dem Aztekenhemdärmel den Schweiß von der Stirn. »Pornos sind Gift für das Karma. Das kommerzielle Betrachten des Liebesaktes degradiert Menschen zum Objekt …« Er hüstelte, als er Josis hochgezogene Augenbraue bemerkte. Er fuchtelte mit der Hand und schlug die Beine übereinander. »Es ist der Einführungsfilm zu einem Multimedia-Lernprogramm. Ein Dokumentarfilm von Titus Leber. Einem Filmemacher und Regisseur aus Salzburg.«
»Aha!«, machte Josephine und konzentrierte sich auf das DVD-Abspielprogramm.
Auf dem Laptopbildschirm erschien ein Testbild mit Farbstreifen und der Buchstabenzahlenkombination »K 11«. Ein Black nahm vom Screen Besitz, der Vorspann begann.
»PT. (Persero) TAMAN WISATA CANDI BOROBUDUR, PRAMBANAN RATU BOKO
Presents
Borobudur – Paths to Enlightenment.«
Jede Zeile erschien einzeln vor dem schwarzen Bildschirm. Über dem Namen der Produzenten sah man die Grafik eines Stupas, der einen viel höheren Schatten warf. Die Silhouette erinnerte an den Schattenriss der Katholischen Hofkirche in Dresden. Musik hob an. Der Helm eines Astronauten wuchs aus der Bildunterkante, die Reflexion der Mondlandefähre der Apollo 11 -Mission auf dem Visier. Der Mann im Raumanzug stand auf der Mondoberfläche. Stars and Stripes auf dem linken Ärmel waren deutlich zu erkennen. Die Erde dominierte im Hintergrund den Sternenhimmel. Ein
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