Macht: Thriller (German Edition)
Handschlaufe um das Handgelenk und lauerte zitternd neben der Tür.
Für längere Zeit war nichts aus dem Zimmer zu hören. Der Rauch wurde unterdessen immer dichter, das Atmen für Mahler immer unerträglicher. Josephine befürchtete, jeden Moment bewusstlos zu werden.
Endlich erschien die Silhouette eines Mannes vor ihr im Rauch. Er trug das Mädchen auf seinem Arm.
Lilly hatte wie der Fremde ein Atemschutzgerät vor dem Mund und schaute Mahler genau ins Gesicht. Sie gab keinen Ton von sich.
Mahler hechtete aus ihrem Versteck, presste dem Typen die Elektroden an den Hals und jagte ihm 500 000 Volt durch den Körper.
Der Mann fiel sofort um wie ein gefällter Baum.
Josephine hatte keine Ahnung, was sie gerade machte, aber es musste schnell gehen. Sie wusste nur, war noch jemand hier, war sie tot. Genau wie Gabriel und jetzt auch noch Sophie.
Lilly war zwar hart gefallen, aber ließ noch immer keinen Laut hören. Sie umschlang ihre Beine und kauerte sich zusammen.
»Keine Zeit, meine Kleine. Wir müssen hier raus«, flüsterte Mahler und hob die Kleine auf die Füße. Da wurde sie brutal an den Haaren gepackt und hochgezerrt.
»Bitch«, zischte ihr jemand ins Ohr und riss ihr den Elektroschocker von der Hand.
Sie spürte das Gerät in ihrer Seite, aber nichts passierte. Der Sicherungsstift, fuhr es ihr durch den Kopf. Mit aller Kraft schrie sie auf und schlug zu. Wie sie es in ihrem Selbstverteidigungskurs gelernt hatte, traf sie den Mann genau in die Weichteile. Sie hörte ein Stöhnen, und der Griff um ihren Hals löste sich.
Josephine zog Lilly mit sich fort und rannte. Die Stiegen hinunter und zur Eingangstür. Das Scherengitter klemmte. Verzweifelt rüttelte Josephine an den Stäben.
Auf der Treppe polterte jemand laut fluchend nach unten.
Das Gitter gab nach. Josephine schob es zur Seite und drehte den Schlüssel im Schloss. Die Tür war auf, und sie konnte wieder frei atmen. »Renn!«, kreischte Mahler und sprintete los.
Die langen blonden Haare des Mädchens pendelten vor Josephine durch die Nacht. Lilly rannte an der Kirche vorbei mitten in das diffuse Schwarz des Friedhofs. Die dunklen Reihen der Grabsteine warfen lange Schatten im Licht der Straßenbeleuchtungen, und das rote Flackern der Grablichter flog links und rechts vorbei. Laut klappernd fiel das Atemschutzgerät zu Boden. Lilly hatte es sich vom Gesicht gerissen und weggeworfen.
Josephine lief ihr einfach hinterher. Vielleicht, hoffte sie, hatte das Mädchen zwischen den monumentalen Grüften aus der Ringstraßenzeit ein geheimes Versteck. Dieser Gottesacker war schließlich ihr Garten und Spielplatz, seit sie laufen konnte. Bestimmt hatte sie hier irgendwo ein Schlupfloch, in das sie beide kriechen konnten.
Aber Lilly rannte an den monumentalen Gruften vorbei, aus dem Schatten der Kiefern heraus und immer weiter auf den hinteren Bereich des Areals zu, wo es in der Mauer kein weiteres Tor, keinen Ausweg mehr gab.
Lilly hat kein Ziel, sie rennt einfach, wie ich es zu ihr gesagt habe, durchzuckte Mahler die schreckliche Erkenntnis. Mit wachsender Panik schaute sie über die Schulter zurück. Die beiden Männer waren ihnen dicht auf den Fersen.
Ein orangeroter Schein drängte die Schatten zurück. Flammen leckten aus den Fenstern des Pfarrhauses, und die Kirche ragte bedrohlich vor der wachsenden Rauchsäule in den Himmel. Auf dem Eisenbahnviadukt ratterte ein Güterzug vorbei. Und vor dem Gegenlicht der Gleisanlagen des S-Bahnhofes Matzleinsdorfer Platz konnte Mahler deutlich die Schattenrisse ihrer beiden Verfolger erkennen.
Die zwei sprinteten wie durchtrainierte Profis. Der Vorsprung von Josephine und dem Mädchen schmolz dahin. Der erste von ihnen war nur noch wenige Grabreihen entfernt. Da blieb der zweite abrupt stehen, fasste sich unter die Jacke und zog eine Pistole mit Schalldämpfer hervor. Er legte an und schoss über seinen Kollegen hinweg auf Josephine.
Da war wieder dieses Knacken. Mahler zog den Kopf ein, und ein sonores Brummen zischte über sie hinweg. Das Geräusch ging ihr durch Mark und Bein. So also klang der Tod, wie ein fetter brauner Maikäfer. Sie aktivierte alle Reserven, ihre Lungenflügel brannten wie Feuer, und mit letzter Kraft riss sie Lilly mit sich zwischen die Grabsteine.
8
S irenen heulten auf. Blaulicht zuckte durch die Dunkelheit. Ein Löschzug der Wiener Berufsfeuerwehr preschte die Gudrunstraße entlang. Mit quietschenden Reifen wurden die vier Einsatzfahrzeuge langsamer und legten sich in
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