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Macht: Thriller (German Edition)

Macht: Thriller (German Edition)

Titel: Macht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David G.L. Weiss
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an der Hand seines Vaters, das zweite Mal an der Hand seines Sohnes. In seinem Fall stimmte das nicht, aber er war ja auch kein Wiener. Bruder Aiakos, wie sein Verbindungsname lautete, kicherte in sich hinein und trat vor das raumgreifende Terrarium im Saal XIV des Naturhistorischen Museums. Des Bruders Blick blieb an der eigenen Reflexion hängen. Aiakos bewegte den Kopf ein wenig nach rechts und links, fuhr sich über das gescheitelte Haar und zupfte einen Krümel vom Revers seines Schurwollsakkos. Dann fasste er nach seinem Hemdkragen und zog die Mundwinkel nach unten. Der Krawattenknopf saß und er war proper rasiert. So musste es sein. Im nächsten Augenblick lösten sich seine Gesichtszüge in viele kleine Körper auf und stoben in alle Richtungen auseinander. Bemerkenswerte Tierchen, diese Waldameisen.
    Aiakos empfand beim Anblick der tastenden Fühler und flinken Beine so etwas wie Zuneigung. In den schwarmbildenden Insekten erkannte er die Krönung der Evolution. Die Menschen dagegen, diese haar- und planlosen Affen, die waren ein Durcheinander sondergleichen. Aiakos verzog das Gesicht, lüpfte die doppelte Manschette seines Hemdes und kontrollierte die Zeiger seiner Armbanduhr. Die Amerikaner waren unpünktlich. Er hasste das.
    Aiakos drehte eine Runde um das Terrarium und beobachtete die Insekten, die in durchsichtigen Rohren zwischen Plexiglaskuben hin und her liefen. Vor dem Ameisenhaufen in der Mitte blieb er stehen. Es gelang ihm nicht, sich auf ein einzelnes Tier zu konzentrieren, und es länger als ein paar Minuten im Auge zu behalten. Alles bewegte und regte sich auf dem Berg aus Tannennadeln, der vor Aiakos aufstrebte wie der Turm zu Babel auf dem Gemälde von Pieter Bruegel. Jenem Bild, das Aiakos gestern besucht hatte. Gleich gegenüber, im Kunsthistorischen Museum, auf der anderen Seite des Maria-Theresien-Platzes.
    Aiakos blies durch die Nase aus. Der Turmbau zu Babel, das war eine Geschichte aus der Bibel. Großes Übel, Gabriel Fuchs getötet zu haben, großes Übel. Aber ein notwendiges. Der Pope hatte Mumm in den morschen Knochen. Eine Kugel mehr im Magazin, und er hätte Aiakos unter fairen Bedingungen erschossen. Aber die Vorsehung war dagegen, und natürlich die Vorsicht.
    Die zwei Amerikaner fühlten sich nicht wohl beim Marmortreppensteigen, das riesige Deckenfresko von Hans Canon über den Köpfen. Die Allegorie zeigte den Kreislauf des Lebens, einen auf- und niederstrebenden Reigen geformt aus nackten Menschenleibern aller sieben Kontinente, zwei kämpfende Götter auf dem Wendepunkt. Der Krieg als Vater aller Dinge. Die geflügelte Sphinx unter einem wolkenverhangenen Mond bildete den Mittelpunkt. Die Tatzen der Chimäre ruhten auf einem Buch mit sieben Siegeln.
    Die Männer in den schwarzen Anzügen misstrauten dem creepy place , dem imperialen Naturhistorischen Museum. Und sie misstrauten vor allem dem Mann, den sie hier in aller Öffentlichkeit treffen sollten. Der Kerl war ein Lunatic , ein Geisteskranker, einer, der vom Mond besessen war, wie man früher geglaubt hatte. Das hatte zunächst niemanden gestört. Mittlerweile hatten sie ein Problem. Der Besessene mit dem crazy Namen hatte sie schon zu tief in sein Gravitationsfeld gesaugt, und sie konnten nach den Morden an dem Pfarrer und seiner Frau schlecht wieder heraus. Der Point of no Return lag hinter ihnen. Sie trieben weiter und hofften auf ein gnädiges Ende, genau wie Apollo 13.
    Die hohen Saalfluchten im Hochparterre präsentierten sich vollgepackt mit archäologischen Artefakten und Tierpräparaten. Die Neo-Renaissance-Türrahmen und die Ölgemälde weit über Kopf schnürten den US-Boys fast die Luft ab.
    Aus den Augenwinkeln beobachtete Bruder Aiakos, wie die Amerikaner den Saal XIV betraten und sich suchend umsahen. Ohne den Blick von dem Terrarium abzuwenden winkte er sie zu sich. Als die beiden neben ihm standen, wandte er sich ihnen zu. »Sie sind fünf Minuten zu spät«, bemerkte er und ignorierte die angebotene Hand des Dunkelhäutigen. »Und sie sind ohne Gastgeschenk gekommen.«
    »Wir hatten Pech mit der U-Bahn.«
    »Das Glück hat auf die Dauer nur der Tüchtige!« Aiakos machte eine wegwerfende Handbewegung und widmete sich den Ameisen.
    »Was wollen Sie damit sagen?« Die Gesichter der zwei Amerikaner verfinsterten sich.
    »Dass Sie nicht einmal dazu fähig sind, ein ausgeglichenes Zeitmanagement an den Tag zu legen. Ganz zu schweigen davon, meinen Befehlen Gehorsam zu leisten, und mir ein kleines

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