macht weiter
er still sitzen.
Die Außentür wurde leise geöffnet. Dann sah er, wie sich der Griff der Innentür langsam bewegte - erst nach rechts, dann nach links. Hafez sprang auf. Jemand fluchte: »Verdammt. Den Dietrich her!«
Es war Fouads Stimme. Hafez hatte sie ganz deutlich erkannt. Sein Herz hämmerte zum Zerspringen. »Großmama«,
flüsterte er. Doch sie reagierte nicht. Vergebens sah er sich nach einem schweren Gegenstand um, mit dem er sich zur Wehr setzen konnte. Fieberhaft kramte er in seinen Taschen: nichts. Nur ein Stück Schnur, ein Bleistift, der Kassettenrecorder, die Taschenlampe. Während draußen an der Tür gerüttelt wurde, zog er sich Schritt für Schritt zurück zur Balkontür. Dort blieb er stehen. Nur schweren Herzens verließ er seine wehrlose Großmutter. Ihn durften sie nicht erwischen, sonst waren sie alle verloren.
Er verschwand hinter den Vorhängen, um vorsichtig die Balkontür zu öffnen, und da - kaum aus dem Blickfeld - hörte er sie schon ins Zimmer stürmen. Hafez kletterte übers Balkongeländer, turnte behend auf den Balkon nebenan, der über den Mauervorsprung leicht zu erreichen war. Dort blieb er zunächst und dachte angestrengt über seinen weiteren Fluchtweg nach. Er mußte auf der Spur der beiden Männer bleiben, ohne selbst von ihnen entdeckt zu werden.
Nach Jungenart hatte Hafez in diesen Tagen bereits sämtliche Winkel des Sanatoriums ausgekundschaftet. Jetzt fiel ihm der Speiselift in der kleinen Teeküche neben Zimmer 148 ein. Vorsichtig prüfte er die Tür des Balkons, auf dem er sich versteckt hielt. Sie war nur angelehnt, das Zimmer dahinter leer. So schlich er zur Tür und riskierte einen verstohlenen Blick hinaus auf den Flur. Niemand. Hafez holte tief Luft, dann rannte er in die Teeküche, öffnete den Schlag zum Speiselift, zog an den Seilen, bis der Kasten oben erschien; er kroch hinein und hatte Glück: Das Ding hielt. Es dauerte nicht lange, und Hafez segelte in die Tiefe, etwas bequemer als letzte Nacht im Castel de Chillon.
Unten angelangt, stieß er die Klappe auf und kletterte, angestarrt von drei verdutzten Küchengehilfen wie ein Wunder, heraus. »Bonjour«, sagte er unverfroren und marschierte durch die Tür, um in dem Gebüsch, das den Ausgang verdeckte, zu verschwinden. Er schlich das Gewächshaus entlang, dann suchte er den kürzesten Weg zu der hohen, dichtbewachsenen Böschung und versteckte sich im Gesträuch. Von hier aus konnte man den Haupteingang gut überwachen.
An Sabrys Fenster bewegte sich etwas. Hafez sah, daß die Balkontür geöffnet wurde. Fouad kam heraus. Erst sah er sich um, dann gab er ein Zeichen. Und gleich darauf schlenderte Scheich Yazdan Ibn Kazdan über die Auffahrt und verschwand im Haus. Kurz darauf erschienen Fouad und Munir in der Tür. Sie trugen seine Großmutter. Sie hatten es offenbar sehr eilig.
Wo bleibt nur die Polizei, fragte sich Hafez.
Die beiden Männer kamen mit ihrer Last am Gewächshaus vorbei. Hafez duckte sich und schlich, vom Buschwerk gedeckt, davon. Am Ende der Auffahrt sah er einen roten Volkswagen und einen schwarzen RollsRoyce stehen, dem jetzt Sabry entstieg. Dieser half den Männern Madame Parviz im Volkswagen unterzubringen.
Hafez hatte zwar kein Papier bei sich, aber immerhin einen Bleistift. Er befeuchtete ihn mit den Lippen und probierte ihn am Futter seiner Windjacke aus. Man konnte darauf schreiben. Sorgfältig notierte er sich die beiden Autonummern. Kaum war er damit fertig, da kam der Scheich aus dem Haus. Zwischen ihm und den drei Männern kam es zu einer hitzigen Auseinandersetzung. Hafez hörte, daß mehrmals sein Name fiel. Dann zogen Fouad und Munir die Jacken aus und verschwanden hinter den Fahrzeugen. Als sie wieder erschienen, trugen sie Uniformen. Der Scheich öffnete den Kofferraum des RollsRoyce, um die Anzüge dort zu verstauen.
Fouad und Munir marschierten wie echte Polizisten ins Haus. Hafez hatte ihr Vorhaben erraten. Bestimmt wollten sie auch Madame Pollifax mitnehmen. Dann wäre die Reihe an ihm...
Er war der einzige Zeuge, aber was konnte er Robin und der Polizei schon mitteilen außer den beiden Autonummern. Das war nicht viel.
Wir müssen uns etwas einfallen lassen, hatte Madame Pollifax gesagt.
Mit einem Satz landete Hafez beim Volkswagen. Er rutschte auf den Knien zum Heck des RollsRoyce. Dort blieb er hocken. Ganz vorsichtig hob er den Deckel des Kofferraums. Der Deckel knarrte zwar ein bißchen, aber niemand schien es beachtet zu haben. Hafez kroch in den
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