macht weiter
muß telefonieren«, sagte sie ganz benommen.
Sie packte Papier und Sandsäckchen wieder in den Koffer, machte ihn zu und ging mit ihm zur Tür. »Ich gehe nach unten und rufe zuerst die Polizei an, und dann Mister Carstairs in Amerika. Das muß ich dem Nachtportier persönlich klarmachen, sonst begreift er nie, was ich will.«
»Ich komme mit«, sagte Robin.
»Ich auch«, erklärte Hafez.
Mrs. Pollifax vergaß in der Eile den Fahrstuhl und nahm die
Treppe. Robin und Hafez folgten ihr. Der Nachtportier stand auf und sah sie überrascht an. »Madame?«
»Ich brauche zwei Telefonverbindungen«, sagte sie. »Zuerst mit der Ortspolizei und dann...«
»Polizei?«
»Polizei«, wiederholte sie fest.
Er zuckte die Achseln, reichte ihr ein Telegramm und ging
zum Telefon. Mrs. Pollifax schaute zuerst auf die Uhr - es war beinahe halb sieben - und dann besah sie sich den Umschlag. Er trug ihre Adresse. Sie riß ihn auf und las die Nachricht, die in der Nacht für sie eingetroffen war.
ERBITTE DRINGEND ERKLÄRUNG ÜBER SONNTAGS IN MEINEM NAMEN ABGESANDTES TELEGRAMM STOP ONKEL BILL UNTERWEGS IN FRANKREICH STOP WO IST COUSIN MATTHEW STOP HAST DU FIEBER STOP GRUSS ADELAIDE.
Der Chef machte sich also Sorgen. Da aber zwischen Carstairs und ihr etliche tausend Meilen lagen, war das ein bescheidener Trost. Ungeduldig sah sie den Portier an, der auf Italienisch in den Hörer fluchte. »Sprechen Sie mit der Polizei?« fragte sie.
Er schüttelte den Kopf. Mit verständnisloser Mie ne legte er den Hörer weg. »Die Leitung ist tot.«
»Versuchen Sie, ob das Licht brennt«, sagte sie ruhig.
Es war kein Schalter in greifbarer Nähe; deshalb ging Robin zum Fahrstuhl und drückte auf den Knopf. Nichts. Auch der Fahrstuhl war ausgefallen.
Sie kommen, dachte sie. Sie sind bereits unterwegs. Sie holte tief Luft, um das Flattern ihres Herzens zu beruhigen.
Hafez zupfte sie am Ärmel. »Madame - das kann doch kein Zufall sein?«
»Ich weiß es nicht. Passiert das öfters?« fragte sie den Portier.
»Im Winter manchmal, Madame. Manchmal. Im Sommer nur, wenn Gewitter, aber...« Er schüttelte den Kopf. »Nein, unglaublich.«
»Wo ist der Direktor? Können Sie ihn rufen?«
Schließlich mußte es ja einen Direktor geben, auch wenn sie ihn noch nie gesehen hatte. Nach einigen Verständigungsschwierigkeiten mit dem Portier stellte sich jedoch heraus, warum sie ihm nie begegnet war. Seine Familie war auf Urlaub in Frankreich, und er war Donnerstag abgereist, um sie zu holen. Bis dahin vertrat ihn die Sekretärin, die aber wohnte in Villeneuve.
»Immerhin sind sie nur zu dritt«, tröstete sich Mrs. Pollifax.
»Zu viert, wenn Sie den Scheich mitrechnen«, berichtigte Robin. »Und genausogut könnten Sie sagen: Immerhin bewegten sich nur vier Klapperschlangen frei in einem kleinen Zimmer. Am besten, wir versperren sämtliche Türen des Hauses...«
»Unsinn. Und was ist mit den Fenstern?« Sie zog einen Notizblock aus der Tasche, begann zu schreiben und gab Robin den Zettel. »Einem von uns gelingt es sicher, das Haus zu verlassen. Nehmen Sie nicht Ihren Wagen, sondern benützen Sie den Fußweg ins Dorf. Und sobald Sie die Polizei verständigt haben, rufen Sie diese Nummer in Baltimore an.«
»Sie wollen hierbleiben, allein?« fragte er ungläubig.
»Sie müssen Hilfe holen, Robin!« Als er noch immer zauderte, sagte sie gereizt: »Haben Sie Madame Parviz gesehen, und Hafez, und den Koffer?«
»Also gut«, seufzte er und steckte den Zettel ein. »Vertrete mich, Kamerad«, sagte er und tippte Hafez auf die Schulter. Dann lief er über die Treppe ins Untergeschoß und zum Gartenausgang.
»Du gehst in mein Zimmer und bleibst bei deiner Großmutter, Hafez«, sagte Mrs. Pollifax.
»Und Sie, Madame?«
»Ich habe vorher noch etwas Wichtiges zu erledigen. Hast du deine Taschenlampe? Gib sie mir.«
Er tat es.
»Schließ dich mit deiner Großmutter in meinem Zimmer ein. Sperr alles zu und laß keinen herein, verstehst du!«
»Gemacht, Madame.« Kindliche Abenteuerlust sprach aus seinen Augen. Er machte kehrt und rannte die Treppe hinauf.
Mrs. Pollifax nahm den Koffer, stieg ins Untergeschoß und ging zunächst in den Röntgenraum. Nachdem sie einige Schubladen und Schränke inspiziert hatte, fand sie schließlich, was sie suchte: Gummihandschuhe; sie nahm sie an sich. Ihr nächstes Ziel war der Lagerraum. Dort schloß sie sich ein und knipste die Taschenlampe an. Zwischen Kisten, Pappkartons, leeren Dosen, Säcken und Regalen mit Einmachgläsern
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