Machtkampf
»Es tut mir leid, aber ich habe auch keine Ahnung, wie wir Herrn Mompach auf den Kanaren erreichen können«, sagte er und fügte an: »Aber ich denke, er kann wenig zur Aufklärung beitragen.«
»Das wird sich zeigen«, meinte Häberle und reichte ihm einen Pappbecher mit Kaffee. »Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Hausbesitzer sich nicht um defekte Öfen oder elektrische Leitungen kümmert.«
»Na ja«, erwiderte Benninger, nachdem er einen Schluck genommen hatte, »so ein Kachelofen, wie er im Erdgeschoss drin war, wird wohl kaum die Ursache gewesen sein. Das Dachgeschoss wurde über irgendeinen Luftkanal mitgeheizt. Außerdem geh ich davon aus, dass der Schornsteinfeger dies alles regelmäßig geprüft hat.«
»Sie kennen sich also aus?«, staunte Häberle.
»In so einem kleinen Dorf ist man als Bürgermeister schon mal in jedem Haus gewesen.«
Häberle riskierte einen verbalen Angriff: »In jedem Haus – und auch auf jedem Hof?«
Benninger stutzte und sah die Beamten um sich herum verunsichert an. »Hof? Ja, natürlich, auch Hof.«
»Auch um zu sehen, was da beispielsweise so rumliegt?«, schob Häberle nach. »So umweltschutzmäßig?«
Der Bürgermeister hatte sofort begriffen, worauf der Chefermittler anspielte, und versuchte, ebenso gelassen zu bleiben. »Ich kann natürlich nicht jeden Tag Streife laufen und prüfen, ob irgendwo ein leckes Ölfass oder was Ähnliches rumsteht.«
»Oder eine illegale Feuerstelle betrieben wird«, fiel ihm Häberle ins Wort.
Benninger quälte sich ein Lächeln ab. »Ich weiß, worauf Sie anspielen, Herr Häberle. Das sind verwaltungsinterne Dinge, deren Prüfung dem Landratsamt obliegt.«
»Oder dem Staatsanwalt, je nachdem«, gab Häberle zu bedenken und ergänzte: »Sie fühlen sich in der Angelegenheit aber nicht befangen? Immerhin sind Sie doch mit Herrn Mompach zumindest als Jagdgenosse verbunden oder sehe ich das falsch?«
Benninger hatte jetzt wieder seine eloquente Art zurückgewonnen. »Das sehen Sie nicht falsch. Nur dürfen Sie daraus nicht gleich auf Kumpanei oder Ähnliches schließen. In so einem kleinen Dorf kennt jeder jeden. Wenn Sie da den Begriff der Befangenheit eng auslegen, können Sie gar nichts mehr bewegen.« Häberle sah draußen einen Mann, der in Begleitung eines Uniformierten zum Fahrzeug gebracht wurde. Er kannte das Gesicht, vermochte ihm aber keinen Namen zuzuordnen. Während er die beiden Personen beobachtete, ergriff Linkohr das Wort: »Und Sie haben tatsächlich keine Ahnung, in welchem Hotel Ihr Jagdfreund abgestiegen ist?«
»Nein, keine Ahnung. Er macht da immer ein ziemliches Geheimnis draus. Sie werden sicher auch schon seine Frau gefragt haben. Die weiß es nämlich auch nicht.« Benninger lächelte wieder. »Manchmal hab ich mir schon überlegt, ob er wirklich auf die Kanaren fliegt. Oder ob er nicht heimlich Bären schießen geht in Kanada.«
Das Gespräch wurde unterbrochen, als der Mann an der Tür erschien, den Häberle im Visier hatte. Während sich der Uniformierte wieder entfernte, fiel Häberle der Name des Besuchers ein: Hans Melzinger, der Landwirt, der die Leiche Hartmanns auf dem Hochsitz gefunden hatte.
»Entschuldigen Sie, wenn ich Sie störe«, sagte Melzinger, dem Häberle sofort einen Platz in dem Mannschaftstransportwagen anbot und die Tür hinter ihm schloss, um die behagliche Wärme der Standheizung nicht entweichen zu lassen.
Die Männer rückten enger zusammen, was dem Bürgermeister offensichtlich unangenehm war. Erst jetzt bemerkte Häberle, dass Melzinger einen länglichen, metallisch glänzenden Gegenstand bei sich hatte. »Ich will Sie nicht lange aufhalten«, sagte er entschuldigend und legte den etwa 30 Zentimeter langen Metallstift auf den Klapptisch. Die Männer besahen das Objekt mit Interesse, ohne es anzufassen. Es war auf einer Seite zu einer Spitze geformt, auf der anderen war es mit einem kleinen Plastikgriff und einer Einkerbung versehen. »Ein Pfeil«, konstatierte Häberle sofort.
Melzinger nickte. »Ich weiß natürlich nicht, ob das etwas zu bedeuten hat.«
»Woher ist das Ding?«, fragte Häberle.
»Aus meinem Wald«, erklärte Melzinger und berichtete von den Einschüssen an den Bäumen. »Jemand hat da wohl Schießübungen gemacht und diesen Pfeil dabei verloren.«
»Haben Sie schon einen Verdacht? Kennen Sie jemanden, der mit Pfeil und Bogen unterwegs ist?« Häberle wandte seinen Blick von Melzinger und sah in die Runde. Doch keiner der Anwesenden schien etwas
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