Machtkampf
hat?«, wollte Vanessa wissen.
»Nein. Das heißt: Anfangs, vor fünf, sechs Jahren, als er noch ein Baby war, da schon mal. Aber in den letzten Jahren nicht mehr.«
»Wären Sie denn gestern Abend da gewesen?«, sah Linkohr die Gelegenheit gekommen, vorsichtig sein Alibi zu eruieren.
»Gestern?«, zuckte der Mann zusammen, als habe er Linkohrs Absicht sofort erkannt. »Nein. Das heißt, doch. Wenn Sie mich gebeten hätte, wäre ich natürlich eingesprungen. Aber gestern Abend war ich nicht hier. Sonst hätte ich das Feuer mitgekriegt und wäre gleich rüber.«
»Wann haben Sie denn davon erfahren?« Linkohr war gespannt, wie der Mann reagieren würde.
»Erst um halb fünf, als ich zurückgekommen bin«, erzählte Kowick gelassen. »Ich war mit Freunden in einer Disco in Bregenz.«
»In Bregenz?«, staunte Linkohr. »Ganz schönes Stück zu fahren. Wieso denn Bregenz?« Er wusste, dass samstägliche Discofahrten auch ab und zu weit ins Land hinausgingen, nach Augsburg, München, Stuttgart, sogar nach Frankfurt. Aber Bregenz war ihm noch nie untergekommen.
»Warum nicht Bregenz?«, konterte Kowick schnell, um in gestelztem Vorarlberger Dialekt hinzuzufügen: »Die österreichischen Madeln san ganz schö geil.«
Linkohr überlegte, ob er auch einmal einen Abstecher dorthin unternehmen sollte, bemerkte aber, dass Vanessa ihn von der Seite musterte, als ob sie seine Gedanken erraten hätte. Er glaubte, auf ihrem Gesicht ein flüchtiges Grinsen gesehen zu haben.
»Sie selbst«, fuhr sie, an Kowick gerichtet, fort, »haben zu Herrn Mompach ein gespaltenes Verhältnis, wie ich aus unserem letzten Gespräch weiß. Hier im Ort sind Sie damit wohl nicht der Einzige. Kann man da nicht leicht unter die Räder kommen?«
Linkohr staunte über Vanessas Vorgehen.
Kowicks Blick verdunkelte sich. »Unter die Räder kommen? Wie meinen Sie das?«
»Wir wissen inzwischen, dass Rimmelbach nicht gerade die heile Welt der Schwäbischen Alb darstellt, um es mal vorsichtig zu formulieren. Und auch Ihre Welt ist nicht ganz heil – würde ich meinen.« Vanessa warf ihm einen schrägen Blick zu. »Da läuft man doch schnell mal Gefahr, selbst in die Schusslinie zu geraten, wenn man Anlass dazu gibt.«
Linkohr verstand im Moment nicht, worauf seine Kollegin abzielte. Überhaupt gefiel es ihm immer weniger, wie sie sich bei diesen Vernehmungen in Szene setzte.
Auch Kowick wurde unsicher. Er nestelte an seinem Pullover und setzte sich aufrechter in den Sessel. »Wieso sollte ich Anlass zu etwas geben?« Es klang irritiert.
Vanessa war jetzt offenbar entschlossen, ihre Zielrichtung beizubehalten. »Sie kümmern sich nicht wirklich um Ihr Kind. Sie mussten Ihren Hof aufgeben und Mompach ist für Sie ein rotes Tuch«, sagte sie schnell. »Jetzt brennt auch noch das Haus ab, in dem Ihre Ex-Frau gewohnt hat. Ihr Kind kommt ums Leben. Und Sie, entschuldigen Sie diese Bemerkung, tun so, als gehe Sie das alles gar nichts an.«
Er zuckte zusammen. Offenbar hatte er zu keiner Sekunde mit einer solchen Reaktion der Kriminalistin gerechnet. Linkohr staunte über Vanessas forsches Vorgehen.
»Ich …«, Kowick wusste nicht so recht, was er erwidern sollte. »Ich bin von Manuels Tod tief betroffen, das dürfen Sie mir glauben.«
»Aber vielleicht gibt es da irgendwelche Dinge, die wir noch nicht wissen«, blieb Vanessa hartnäckig und sah ihm fest in die flackernden Augen.
Um sich jetzt auch einzuschalten, stellte Linkohr in die entstandene Stille hinein eine Frage, ohne allerdings zu wissen, ob sie in dieselbe Richtung zielte wie Vanessas Bemerkungen. »Manchmal kommt es vor, dass man sich selbst in große Gefahr begibt.«
»Gefahr?« Das Wort elektrisierte den jungen Mann offenbar.
Vanessa schien für Linkohrs Bemerkung dankbar zu sein. »Gefahr, ja«, griff sie die Worte sofort auf. »Vielleicht gibt es Dinge, die kein anderer wissen darf – und deretwegen andere alle Hebel in Bewegung setzen, um sie zu erfahren. Alle «, bekräftigte Vanessa, als hätten sie den Dialog einstudiert. » Alle Hebel«, wiederholte sie. »Manche Leute schrecken vor nichts zurück.«
Kowick kniff die Lippen zusammen. Er musterte die beiden Besucher nacheinander und spürte, dass sie wie eine Mauer vor ihm saßen, schweigend, aber wild entschlossen, ihn in die Zange zu nehmen.
»Vielleicht ist Ihre geschiedene Frau gar nicht ganz so freiwillig bei Mompach angestellt«, fuhr Vanessa leise fort. »Vielleicht sind Sie und Ihre Ex-Frau hoch verschuldet und
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