Machtkampf
Linkohr wieder selbst das Thema in Erinnerung. Er wollte vermeiden, dass sich Vanessa allzu sehr in den Vordergrund spielte.
»Dazu kann ich wirklich nichts sagen«, erwiderte Mompach.
»Oder gab es auch noch andere Einnahmequellen?«, ließ Vanessa nicht locker.
»Andere Einnahmequellen?«
»Na ja, es gab doch auch irgendwelche Damen …«, mutmaßte Linkohr.
»Ach, Sie meinen den Igor und die Damen«, grinste Timo. »Da wird viel geredet. Manche meinen schon, es gebe hier auf der Alb irgendwo einen Puff. Stellen Sie sich das mal vor! Hier einen Puff!«
»Na ja, ganz so abwegig ist das nicht«, entgegnete Linkohr.
»Nicht hier«, meinte Timo vielsagend, »aber was Hartmann in Russland getrieben hat oder welche Verbindungen er geknüpft hat – für wen auch immer –, das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen. Aber es gibt doch heutzutage Mittel und Wege, dies herauszufinden.« Er warf Linkohr einen provokanten Blick zu. »Oder stehen der Polizei in der Provinz nicht all die technischen Möglichkeiten zu, von denen man immer liest?«
Linkohr ging nicht darauf ein, sondern wollte wieder auf den Kernpunkt ihres Besuches zurückkommen: »Ihr Vater und Hartmann haben sich also zerstritten.«
Mompach junior war diese neuerliche Frage sichtlich unangenehm. Er ließ wieder die Fingerknöchel knacken. »Alles, was ich dazu weiß, ist nur Stammtischgeschwätz. Aber etwas muss wohl dran gewesen sein.«
»Und was schwätzt man so am Stammtisch?«, bohrte Vanessa.
»Na ja«, Timo Mompach sog den Zigarettenqualm tief in seine Lunge, »wie immer halt, wenn’s zwei Männer auf ein und dieselbe Frau abgesehen haben.«
Linkohr nickte. So etwas war ihm zwar noch nie passiert, aber dass Frauen einen Mann ziemlich durcheinanderbringen konnten, hatte er schon oft genug erfahren müssen.
»Und das war also so – zwei Männer, eine Frau?«, griff Vanessa vorsichtig Mompachs Bemerkung auf.
Timo spürte, dass er sich einer Antwort nicht mehr entziehen konnte. »Wenn halt der eine gerade zum Hochsitz kommt, wenn der andere dort …« Er stockte, weshalb Vanessa den Satz ergänzte: »… mit dieser Frau dort oben ist.«
Timo nickte verlegen. »So wird geredet, ja, beim Schorsch am Stammtisch im ›Löwen‹. Aber es war natürlich keiner dabei – also kann auch niemand wissen, was wirklich geschehen ist. Alles kann nur ein böswilliges Gerücht sein.«
»Natürlich«, zeigte Vanessa Verständnis, »an den Stammtischen wird viel geschwätzt. Aber was vermutet man denn im ›Löwen‹, wer die Frau gewesen sein könnte?«
Timo inhalierte erneut eine Lunge voll Nikotin. »Wenn das rauskommt, ist der Skandal in Rimmelbach perfekt.«
Häberle war noch einmal an der Brandstelle gewesen, wo inzwischen die Feuerwehr ihre Schläuche einrollte. Die letzten Glutnester hatten noch bis in die Nachmittagstunden geglimmt. Erst danach waren die hinzugezogenen Experten des Landeskriminalamts und ein externer Brandsachverständiger in der Lage gewesen, in das Schutt- und Aschechaos vorzudringen.
Geislingens Feuerwehrkommandant Jörg Bergner verfolgte die mühsame Kleinarbeit der Spezialisten, die sich für Überreste jenes Teils des eingestürzten Dachstuhls interessierten, in dem das Feuer ausgebrochen war.
Häberle staunte jedes Mal wieder aufs Neue, was diese Experten aus einem solch verkohlten Trümmerberg herausfischten. Sie versprachen, sofort anzurufen, falls ihnen etwas Besonderes auffiel.
Häberle wechselte ein paar freundliche Worte mit Bergner und stieg dann in seinen Dienstwagen, um nach Halzhausen zu fahren. Dort musste er sich kurz orientieren, um die Adresse Kuglers ausfindig zu machen.
Nach zweimaligem Klingeln öffnete Franziska Kugler. Ihr Gesicht war versteinert, die Begrüßung kühl. Der Chefermittler entschuldigte sich für sein unangekündigtes Erscheinen und begründete dieses mit der fehlenden Telefonnummer.
Die Frau führte ihn über eine knarrende Holztreppe in das zweite Obergeschoss, das durch die Dachschräge drückend und dunkel wirkte.
Kugler erhob sich von einem wackligen Bürostuhl, während seine Frau wieder die Treppe hinabstieg. Häberle sah in wässrige Augen, bemerkte, dass Kugler zitterte und sich wieder müde hinsetzte. »Ich bin schockiert«, war alles, was er nach Häberles Begrüßung zu sagen vermochte.
Der Kriminalist ließ ein paar Sekunden verstreichen. »Wenn ein Kind stirbt, sind das auch für uns die bittersten Momente.« Seit er Enkel hatte, gingen ihm solche Fälle
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