Machtkampf
das Haus auf, wenn er nicht da ist.«
»Auf die Schlange, meinen Sie«, zeigte sich Linkohr informiert. »Noch eine letzte Frage«, fügte er an und sah zu dem Wohnzimmerschrank hinüber, auf dem noch immer die Marienkäferfigur lag. »Sie mögen Marienkäfer?«
Stefanie war zum wiederholten Male während des Gesprächs verlegen. »Wie? Ob ich was mag?«
»Marienkäfer«, schaltete sich Vanessa sofort ein.
Stefanie wusste offenbar tatsächlich nichts damit anzufangen.
»Ich meine nur«, machte Linkohr weiter und deutete zum Wohnzimmerschrank, »weil dort neben den Engeln dieser Marienkäfer liegt.«
»Ach, das meinen Sie«, sie war sichtlich erleichtert, »ja, ich finde diese Glücksbringer sehr schön. Und Engel mag ich auch, wie Sie sehen. Ich glaub sogar an sie.«
Der Jungkriminalist ließ ein paar Sekunden verstreichen, um dann eher beiläufig festzustellen: »Dann haben Sie sicher auch Briefpapier, auf dem Marienkäfer drauf sind?«
Die Bemerkung war für Stefanie ein Schock. Sie sprang ruckartig auf, blieb energisch stehen und schrie: »Jetzt reicht’s aber! Sie schnüffeln in meinen Privatsachen rum, ohne auch nur den geringsten Grund dafür zu haben.«
»Beruhigen Sie sich«, blieb Linkohr gelassen, »aber so ein Brief ist uns in der Wohnung von Herrn Hartmann aufgefallen.«
Stefanie biss die Zähne zusammen. Ihre Augen blitzten gefährlich. Linkohr zitierte, was ihm im Gedächtnis haftete: »Lass es nicht so enden wie mit Harald.«
»Eine Unverschämtheit«, zischte Stefanie. »Verlassen Sie sofort mein Haus.« Sie deutete zur Tür.
»Moment noch«, fuhr Vanessa dazwischen, stand auf und ging zu ihr. »Lassen Sie uns doch darüber reden. Wir gehen nur allem nach, was uns auffällt. Briefe an jemanden zu schreiben, ist auch nichts Unrechtes.« Es vergingen einige Sekunden, bis sich Stefanie wieder zu den beiden umdrehte, wobei Tränen in den Augen sichtbar wurden. »Wissen Sie eigentlich, was Sie da anrichten? Mein Mann hat sich vor einem halben Jahr das Leben genommen. Auch meines ist ziemlich durcheinander.« Ihre Stimme wurde leiser. Sie nahm ein Taschentuch und tupfte sich die Augen trocken, um die Wimperntusche nicht zu gefährden. »Wollen Sie, dass noch jemand in den Tod getrieben wird? Max … Herr Hartmann war der Einzige, der mir echte Hilfe angeboten hat.« Sie atmete schwer. »Außer dem Pfarrer. Aber Max war ein guter Mensch.« Sie ließ sich langsam in den Sessel sinken. »Sie haben ihn in den Tod getrieben. Alle.«
Auch Vanessa setzte sich wieder und rückte ihren Sessel näher an Stefanie heran. »Frau Marquart«, sagte sie einfühlsam, »wir sind gleich wieder weg. Aber wir haben noch eine Bitte: Sagen Sie uns, wer Ihrer Meinung nach Herrn Hartmann in den Tod getrieben hat.«
Stefanie begann zu schluchzen. »Menschen, die ihm seinen Erfolg neideten«, brachte sie tränenerstickt hervor, »Menschen, die sein Lebenswerk zerstören wollten, aus Rache, Habgier, was weiß ich.«
»Und wer sind diese – Menschen?«, fragte Linkohr leise.
»Das weiß ich nicht. Ehrlich, das weiß ich nicht. Er hat nur mal gesagt, dass es für ihn gefährlich werden könnte.«
»Wann hat er das gesagt?«, wollte Linkohr wissen.
»Irgendwann im Sommer, vielleicht im Mai oder im Juni.«
Vanessa war noch nicht zufrieden. »Inwiefern sollte es für ihn gefährlich werden? Hatte er Angst, umgebracht zu werden.«
»Ich weiß es doch nicht.« Sie zögerte. »Aber einmal hat er gesagt, er werde sich Igors Terrarium ins Haus holen, um notfalls die Schlange freizulassen, auch wenn er dann selbst dabei umkäme.«
Häberle war mit der Arbeit seiner Leute zufrieden. Wenn er eine Sonderkommission leitete, gab es kein Murren über Überstunden oder schlechte Verpflegung. Und er zeigte auch Verständnis dafür, wenn einer der Kollegen aus familiären oder anderen dringenden Gründen ein paar Stunden wegmusste oder abends früher ging. Ein harmonisches Zusammenspiel aller war stets der Erfolg seiner Sonderkommissionen gewesen.
»Eine Sonderkommission ist ein Mannschaftsspiel«, pflegte er oft zu sagen, »es kommt auf die Leistung jedes Einzelnen an, aber am Schluss zählt das Ergebnis. Und das kann nur gut sein, wenn keiner den großen Star markiert.« Gerne zog er Vergleiche mit den Fußballvereinen der Bundesliga heran: »Immer, wenn die Harmonie gestört ist, wie vor ein paar Jahren bei den Bayern oder in der vergangenen Saison bei den Hoffenheimern, kann nichts Gutes gedeihen.« Dies schrieb er
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