Machtkampf
ist.«
»Wer kann das schon wissen?«, entgegnete der Pfarrer. »Das wird nicht mehr lange dauern. Spätestens, wenn die Kripo bei der Rektorin unserer Schule auftaucht, wo ich Religionsunterricht gebe, brechen alle Dämme. Wissen Sie denn, wie das ist: durch das Dorf zu gehen und nicht zu wissen, was die Leute bereits über Sie reden? Am Sonntag den Gottesdienst zu halten und Angst haben zu müssen, dass da einer aufsteht und mich des Kindesmissbrauchs bezichtigt.«
»Wie würden Sie das Verhältnis zu Ihren Gemeindemitgliedern beschreiben?«, zeigte sich Schaufler interessiert.
»Ich weiß nicht, ob Sie von den monatelangen Querelen in der Zeitung gelesen haben, als es um die Besetzung dieser Pfarrerstelle ging.«
»Nein, das ist mir nicht geläufig.«
»Als mein Vorgänger wegging, vor etwa eineinhalb Jahren, konnten sich die sechs Mitglieder des Gemeinderats nicht mit meiner Bewerbung anfreunden. Ich war bis dahin im Großraum Stuttgart und wollte aufs Land, weil mir die Sorgen und Nöte der kleinen Landwirte am Herzen liegen. Und Sie dürfen mir glauben, das ist bis heute so.«
Schaufler überlegte kurz, was damit gemeint sein könnte: »Dass die Kleinen ihre Landwirtschaft aufgeben müssen und von den Großen geschluckt werden?«
»Genau das meine ich damit. Die Menschen, die mit ihrer Hände Arbeit dafür sorgen, dass wir alle genügend zu essen haben, werden behandelt wie der letzte Dreck. Ein menschenunwürdiges System hat ihnen selbst Lohn und Brot genommen. Und eine völlig falsche Subventionspolitik führt dazu, dass die ehrliche Produktion von Nahrungsmitteln keinen wirklichen Wert mehr darstellt. Die Folge von all dem ist, dass der kleine Landwirt bei diesem Preisdumping nicht mehr mitkommt.«
Schaufler nickte. »Dass Sie sich für die Kleinen einsetzen, hat man in Rimmelbach gewusst, als Sie sich dort beworben haben, nehme ich an.«
Sie nahmen beide einen Schluck Kaffee.
»Natürlich«, antwortete Kugler, »ich habe bei meinem Vorstellungsgespräch im Kirchengremium auch gar kein Hehl daraus gemacht. Ich bin immer für Ehrlichkeit. Ich sage, was ich denke, und bin nicht bereit, mich verbiegen zu lassen, nur weil ich jemandem gefallen will.«
»Womit Sie sich natürlich Feinde schaffen«, erkannte Schaufler als gewiefter Jurist.
»Ich war von Anfang an nicht beliebt, um es ehrlich zu sagen. Ich hatte geglaubt, die kleinen Bauern würden mich unterstützen. Aber genau das Gegenteil scheint der Fall zu sein.«
»Sie vermuten, dass man Sie auf heimtückische Art loswerden möchte?«
»Was glauben Sie, was mir seit gestern alles durch den Kopf geht, Herr Schaufler!«
»Aber die Mutter von Manuel, diese Frau …« Er musste in seinen Unterlagen nachsehen. »… diese Frau Sandra Kowick, die hätte eigentlich keinen Grund, Sie anzuschwärzen, oder?«
»Das ist es ja, was mich so sehr beschäftigt«, entgegnete Kugler. »Sie ist alleinerziehend, geschieden und lebt in eher ärmlichen Verhältnissen. Was soll sie für ein Interesse daran haben, ausgerechnet mich loszuwerden?«
Schaufler machte sich einige Notizen, ohne auf Kuglers Ausführungen einzugehen.
»Wer waren denn bei Ihrer Vorstellung als Pfarrer Ihre Hauptkontrahenten?«, wollte er stattdessen wissen.
»Mompach«, antwortete Kugler, ohne lange zu überlegen. »Er ist stellvertretender Vorsitzender im Kirchengemeinderat. Den Vorsitz hat üblicherweise der Pfarrer, also ich. Er hat über Wochen hinweg versucht, die Mehrheit des Gremiums gegen mich aufzuhetzen. Am Schluss hat ihm aber eine Stimme gefehlt.«
»Dieser Mompach ist demnach einer dieser Großgrundbesitzer, nehme ich an.«
»So kann man das sagen, ja.«
Schaufler überlegte. »Wie groß schätzen Sie den Einfluss dieses Mompach auf die Gesamtgemeinde ein?«
»Schwer zu sagen. Ich denke, dass der Ort eher gespalten ist. Die etwas Betuchteren dürften ihm zugetan sein.« Kugler gab seine verkrampfte Haltung auf und lehnte sich zurück. »Die anderen fühlen sich vielleicht mir zugetan. So Gott will.«
»Die Frau Kowick, so nehme ich an, ist demnach eher den Schwächeren zuzurechnen«, resümierte der Anwalt.
»Ganz sicher. Sie hangelt sich an der Sozialhilfegrenze entlang. Eine völlig unpolitische Frau, so, wie ich sie kennengelernt habe. Schafft bei Mompach und verdient sicher gerade so viel, dass sie sich über Wasser halten kann. Viel Zeit für ihren Buben hat sie nicht. Entsprechend verhaltensgestört ist der Manuel, davon bin ich überzeugt.«
»Sie arbeitet bei
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