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Machtkampf

Machtkampf

Titel: Machtkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Bomm
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wieder nicht einschlafen lassen.
    In spätestens fünf Stunden wurde die Zeitung ausgetragen. Dann wussten alle im Landkreis, was gegen ihn vorlag. Und alle seine Gegner vom letzten Jahr würden sagen: ›Wir haben’s ja gewusst. Dieser Pfarrer passt nicht in den Ort. Dieser Pfarrer ist eine Gefahr.‹
    Kugler erhob sich. Er musste noch einmal hinaus. Hinaus in die Nacht. In die letzte, die er ohne öffentlichen Makel erleben konnte.
    Die letzte.
    Er warf sich seine warme Lederjacke über, zog die festen Schuhe an und schlich aus dem Haus. Franziska sollte nicht hören, dass er noch einmal an die frische Luft ging. Aber selbst, wenn sie es registrierte, würde sie es nicht als ungewöhnlich empfinden. Kugler ging oft mitten in der Nacht spazieren, wenn er an einer Predigt arbeitete. Manchmal allerdings fragte er sich, ob sich der Aufwand für die paar wenigen Gottesdienstbesucher überhaupt lohnte und es nicht einfacher wäre, sich an vorgefertigten Texten zu orientieren. Aber sein Anspruch war es, die Menschen in der Predigt ›mitzunehmen‹, ihnen Gedanken mit auf den Weg zu geben. Diese durften natürlich auf dem Land nicht so provokant sein wie in der Stadt.
    Kugler trat gerade auf den Vorplatz des Pfarrhauses hinaus, als er aus dem Nebel das Motorengeräusch eines Autos näher kommen hörte. Weil zu dieser späten Nachtzeit nur wenig Verkehr auf der vorbeiführenden Durchgangsstraße herrschte, wartete Kugler gespannt, was sich aus dem dichten Nebel abzeichnen würde. Erst auf kurze Distanz tauchten die Scheinwerfer des Fahrzeugs auf, das mit mäßiger Geschwindigkeit daherkam und gleich wieder unsichtbar wurde. Es war ein Kastenwagen. Kugler stutzte. Er sah ihm nach und hatte das Kennzeichen gerade noch erkennen können, ehe es zusammen mit den roten Schlussleuchten im nächtlichen Nebel wieder weggetaucht war. Der Theologe hatte keinen Zweifel, wer da gerade erst heimkam.

    Mompach nahm sich nicht allzu viel Zeit fürs Frühstück. Er stand meist kurz vor sechs auf, verschwand dann im Bad und erwartete, dass unterdessen seine Frau den Tisch deckte. Ein Ritual, das jahrein, jahraus dasselbe war. Seit der Sohn im Unfrieden das Haus verlassen hatte, beschränkten sich die Gespräche meist auf die Landwirtschaft. Mompach, der sich strikt weigerte, neben Sandra Kowick noch weiteres Personal einzustellen, schuftete von früh bis spät und opferte jede freie Minute seinen Mitgliedschaften in Vereinen und Institutionen. Wenn ihm Linda, seine Ehefrau, gelegentlich vorwarf, sich überall in den Vordergrund drängen und profilieren zu wollen, konnte er seinen gefürchteten Jähzorn nicht unterdrücken. Seit er in einem solchen Ausbruch von unbändiger Wut einen Suppenteller an die Wand gedonnert hatte, hielt sich Linda zurück. Oft genug reagierte Mompach seinen ganzen Frust dann an Sandra ab, die heulend seine Schimpfkanonaden über sich ergehen lassen musste. Linda hatte sich schon oft gewundert, dass diese Frau derartige Erniedrigungen überhaupt aushielt.
    »Warst du heute Nacht eigentlich noch mal draußen?«, fragte Linda Mompach, als ihr Mann aus dem Bad ins Esszimmer kam.
    »Draußen?« Er schien merkwürdig entrückt zu sein. »Ach so, nein. Das heißt, ja. Ich bin so gegen halb zwölf noch mal draußen rumgegangen.«
    »Und? War alles ruhig?«
    Er setzte sich und legte die mitgebrachte Tageszeitung neben die Kaffeetasse. »Ruhig, ja«, gab er sich einsilbig und goss sich den Kaffee ein.
    »Hast du bei diesem Nebel überhaupt sehen können?«
    Er brummte etwas, das sie nicht verstand, und zog den Lokalteil aus der Zeitung heraus. Während seine Frau ein Brot mit Butter und Marmelade bestrich, deutete er auf einen groß aufgemachten Artikel und las laut vor: »›Ermittlungen gegen Pfarrer‹, Unterzeile: ›Rimmelbach kommt nicht zur Ruhe.‹«
    Mompach schob seine Tasse beiseite. »Jetzt haben sie ihn drangekriegt«, sagte er und deutete auf den Bericht.
    »Wen denn?« Seine Frau beugte sich zu ihm und versuchte, die Überschrift zu lesen.
    »Den Kugler, unseren Pfaffen. Hier … ›Der Rimmelbacher Pfarrer, der bereits vor seinem Amtsantritt im vergangenen Jahr in die Kritik geraten war, steht offenbar in dem Verdacht, einen Erstklässler aus der örtlichen Grundschule sexuell belästigt zu haben.‹«
    »Ach.« Frau Mompach sprang auf und sah ihrem Mann über die Schulter. »Das ist doch nicht zu fassen!«
    »Wir haben doch recht gehabt«, stellte Mompach selbstgefällig fest. »Aber das hier …«, er

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