Machtkampf
hatte. »Darf ich Ihnen was anbieten?«
Häberle winkte ab und setzte sich Igor gegenüber. »Dann war Herr Hartmann sozusagen ein Glücksfall für Sie?«, begann der Kriminalist das Gespräch und betrachtete interessiert die Dekorationsstücke auf den Regalen. Dort standen kleine und große Figuren, die überwiegend wohl Sportler darstellten, wie Häberle aus der Distanz feststellen konnte. Dann fiel sein Blick auf ein großes, hell erleuchtetes Terrarium, das eine ganze Wandbreite einnahm. Die Junggesellenbude eines russischstämmigen jungen Mannes hatte er sich komplett anders vorgestellt.
»Der Glücksfall war das Gehalt«, beantwortete Igor die Frage Häberles, irritiert über dessen sichtliches Erstaunen über die elegante Wohnungseinrichtung. »Herr Hartmann war echt ein guter Chef.«
Häberle sah noch immer zu dem Terrarium, das ziemlich naturnah gestaltet zu sein schien und eine tropische Vegetation beinhaltete.
»Das ist mein Liebling«, lächelte Igor, nachdem er Häberles Interesse bemerkt hatte. »Ein Geschenk meines Chefs. Eine Kobra …« Er sah seinen Besucher spöttisch an. »Ein liebes Haustierchen und viel effektiver als jeder Wachhund – falls ich mal Hilfe bräuchte.«
Häberle zog kritisch seine Augenbrauen zusammen. »Aber kann sie denn dann zwischen Freund und Feind unterscheiden – ich meine, wenn sie mal losgelassen wird?«
Igor grinste überheblich. »Ich weiß zumindest, wie ich sie anfassen kann.« Er wartete vergeblich auf eine Reaktion Häberles. »Sie hätten da wohl gewisse Schwierigkeiten. Wetten?«
»Darauf kann ich verzichten, danke«, wies ihn der Kriminalist ab. Es gab wenig, wovor er sich fürchtete, aber Reptilien dieser Größe und Gefährlichkeit waren ihm zuwider, weshalb er ablenkte und zur Sache kam: »Sie werden verstehen, dass wir uns ein bisschen genauer für Hartmanns persönliche Verhältnisse interessieren.«
»Ich hab gedacht, die Sache mit dem Selbstmord meines Chefs sei längst abgeschlossen. Das hab ich heut früh schon seinem Neffen aus Augsburg gesagt. Der hat hier angerufen.«
»Neffe?«
»Ja, Herr Hartmann hatte ansonsten keine Angehörigen. Ich kenne den Neffen auch nicht. Irgendjemand hat ihn wohl vom Tod des Onkels verständigt.« Igor lächelte verlegen. »Wahrscheinlich geht’s bereits ums Erbe.« Er wurde wieder ernst. »Und ich muss mich so schnell wie möglich nach einem neuen Job umsehen. Ist ja wohl kaum anzunehmen, dass ich von dem Erbe auch was abkriege.«
Häberle wollte nicht darauf eingehen. Aber vermutlich war Igors Traum von einem luxuriösen Leben ganz schnell wieder zerronnen – es sei denn, er fand eine Möglichkeit, sich in dieser Branche selbst zu betätigen. Wobei natürlich die Frage war, um welche Branche es sich handelte, schoss es Häberle durch den Kopf.
»Herr Hartmann hat sein Geld mit dem internationalen Viehhandel gemacht«, stellte der Kriminalist fest, um gleich dieses Thema anzusprechen. »Und davon kann man so gut leben? Ich denke, der Konkurrenzkampf ist gnadenlos?« Er wollte die Skandale der letzten Monate, als plötzlich europaweit Pferdefleisch aufgetaucht war – zuerst aus Rumänien, dann aus den Niederlanden –, nicht explizit aufzählen. Zuerst musste er wissen, wie tief Igor selbst in diese Geschäfte involviert war.
»Entschuldigen Sie, wenn ich das jetzt so direkt anspreche, aber Sie und Herr Hartmann wurden auch schon in Begleitung attraktiver Damen gesehen – was den Menschen in so einem Albdorf natürlich nicht verborgen bleibt und zu Gerüchten verschiedenster Art führt.«
Igor runzelte die jugendglatte Stirn und ballte instinktiv seine Hände zu Fäusten. »Da waren mal ein paar Damen bei uns zu Gast – bei ihm und bei mir. Auf der Durchreise. Das waren Mädels einiger Großkunden aus Polen und Rumänien, die als Studentinnen Deutschland bereist haben.« Igor grinste wieder. »Aber Sie haben recht, Herr Kommissar, das waren ein paar geile Weiber.«
Häberle nickte verständnisvoll. »Auch Thaimädchen sollen mal in Rimmelbach und Umgebung gesichtet worden sein.«
»Ja und?« Der junge Mann wurde nervös. »Ist das verboten? Nur weil man hier prüde ist? Glauben Sie mir, Herr Kommissar: Jeder einzelne Mann hier, der darüber irgendein Zeug quatscht, ist doch nur neidisch, dass er mit keiner dieser heißen Puppen ins Bett steigen durfte.« Er feixte. »Und auch meine Freundin, eine Russin übrigens, verdreht, wenn sie da ist, den Männern hier ganz schön die
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