Machtkampf
eingetreten war, dass sich hinter ihm die Haustür schließen ließ. »Aber ich dachte …«, er rang merklich nach Worten, »… ich dachte, es hilft uns beiden vielleicht, wenn wir in Ruhe miteinander reden.« Er war darauf gefasst, dass ihn Sandra sofort des Hauses verwies.
Ein paar Sekunden standen sie sich Auge in Auge gegenüber wie zwei angriffslustige Raubtiere, die nur eine Distanz von zwei Metern trennte.
»Reden?«, echote Sandra. »Ich hab gerade Besuch.« Ihre Stimme war schwach.
Weil die Tür zum Wohnzimmer offen stand, hatte Linkohr nicht nur die Stimme Kuglers erkannt, sondern ihn auch gesehen. Der junge Kriminalist zwinkerte Vanessa zu, sprang auf und erreichte mit wenigen Schritten den Flur. »Wegen uns dürfen Sie ruhig eintreten, Herr Kugler«, sagte er laut und deutlich. »Vielleicht gibt es ja auch mit uns etwas zu bereden.«
Kugler kam ein Stück näher und stand jetzt direkt vor Sandra. Er wusste für einen Moment nicht, was er sagen sollte. Das zufällige Zusammentreffen mit Linkohr schien ihm sichtlich unangenehm zu sein. »Ich bin gerne bereit, auch mit Ihnen zu sprechen«, wandte er sich schließlich direkt an Linkohr.
Sandra blickte nervös von einem zum anderen. Nach einer peinlichen Pause des Schweigens rettete Vanessa die Situation, indem sie sagte: »Dann schlag ich doch einfach vor, wir setzen uns ins Wohnzimmer, anstatt die Probleme auf dem Flur zu besprechen.«
Linkohr ließ Kugler den Vortritt, während Sandra irritiert den beiden in ihr Wohnzimmer folgte und aufgeregt auf ihre Armbanduhr schaute: »Ich muss in einer halben Stunde weg.«
Jetzt sah sich Linkohr bemüßigt, die Gesprächsleitung an sich zu reißen. »Meine Kollegin und ich sind nicht hier, um den Fall des Herrn Kugler zu besprechen«, sagte er, während sie alle darauf achteten, auf keine Spielzeugbausteine und Modellautos zu treten. Der Theologe ließ sich mit der Fülle seines zwei Zentner schweren Körpers in einen abgewetzten Ledersessel sinken und drehte sich in Blickrichtung der anderen, die am Esszimmertisch Platz nahmen.
»Aber jetzt, da Sie gekommen sind«, wandte sich Linkohr an Kugler, »sollten wir vielleicht doch die Gelegenheit wahrnehmen, auch dieses Thema zu bereden.«
Kugler beugte sich nach vorne und stützte seinen kräftigen Oberkörper mit den Unterarmen auf den Oberschenkeln ab.
»Danke, dass Sie das auch so sehen. Ich hatte mich eigentlich mit Frau Kowick aussprechen wollen. Unter vier Augen.« Er sah zu ihr, doch sie wich seinen Blicken aus. »Wir haben uns vor dieser Sache schon einige Male ganz nett miteinander unterhalten.« Er bemühte sich, ruhig zu bleiben, obwohl er sich von dem jetzigen Besuch die einzige noch bestehende Chance erhofft hatte, den weiteren Verlauf des Strafverfahrens aufzuhalten. Sandra Kowick senkte ihren Blick.
»Es ist und bleibt mir ein Rätsel«, fuhr er fort, »wie Ihr Sohn Manuel eine solche Geschichte erfinden konnte.« Er sah sich nach dem Spielzeug um und überlegte, wo der Bub sein würde.
Sandra schaute verlegen zu Boden. »Darüber möchte ich jetzt nicht sprechen.«
Linkohr hätte sich in dieser Situation den Beistand Häberles gewünscht. So aber musste er nun selbst mit der peinlichen Lage fertig werden. Dies allein Vanessa zu überlassen, ließ sein Stolz nicht zu. Noch bevor er sich in den knappen Dialog der beiden einmischen konnte, brach es bereits aus Kugler heraus: »Soll ich Ihnen mal was sagen, Frau Kowick? Sie sind sich der Tragweite dessen, was Sie angerichtet haben, überhaupt nicht bewusst. Sie und ich – wir beide – wissen ganz genau, dass das, was Sie und Ihr Sohn behaupten, jeglicher Grundlage entbehrt.«
Linkohr versuchte einzugreifen, um Sandra vor weiteren Attacken zu schützen, doch Kugler ließ sich das Wort nicht verbieten. »Entschuldigen Sie, aber jetzt rede ich. Leider waren es vertrauliche Gespräche, die ich mit Frau Kowick nach meinem Amtsantritt vergangenes Jahr und noch vor wenigen Monaten im Sommer geführt habe. Ich fühle mich auch weiterhin an diese Vertraulichkeit gebunden. Aber wenn Sie, Frau Kowick, noch einen Funken Anstand haben, dann schauen Sie mir jetzt in die Augen und wiederholen, was Sie mir damals gesagt haben.«
Vanessa unterbrach ihn: »Glauben Sie, dass dies der richtige Moment ist, darüber zu sprechen?«
»Ist es!«, bläffte Kugler. »Oder meinen Sie, ich stecke das alles einfach so weg?« Keine der drei Personen bemerkte, dass sich draußen im Flur eine Tür einen Spaltbreit
Weitere Kostenlose Bücher